IVBS, VDCO und die ZVA ballten auch 2018 ihre Kräfte zu einem gemeinsamen Kongress. An den drei Tagen wurden 22 Workshops, über 30 Vorträge und einige kurze Produktvorstellungen der Industrie geboten. Wir haben für Sie möglichst viele Vorträge besucht und einen Bericht für das optikum verfasst.
Grenzlimbale Anpassung – Knacknüsse, mit welchen Problemen muss ich rechnen
Gustav Pöltner startete in seinem ersten Vortrag mit Informationen zu grenzlimbaler Anpassung von formstabilen Kontaktlinsen. Er empfahl die großen Linsen mit einer Tendenz in der Mitte pseudosteil anzupassen und mit einem breiten Bevel zu versehen. Dadurch verursachen die Kontaktlinsen ein geringeres Fremdkörpergefühl. Kunden entscheiden sich im Vergleich zwischen weichen und großen formstabilen Kontaktlinsen oftmals für die formstabile KL, da die Sehleistung subjektiv besser ist. Als positive Aspekte der großen Kontaktlinse sind hier anzuführen die gute Druckverteilung, die große Optikzone, die geringe Verlustgefahr und ein geringes Fremdkörpergefühl.
„Keratokonus – Wenn´s „einfach“ nicht funktioniert“
Horst Drexel gab gute Tipps, zur Anpassung von Keratokonuslinsen, wenn´s “einfach” nicht funktioniert. Große Durchmesser, aber auch das Huckepacksystem sind in diesem Zusammenhang wertvolle Alternativen. Bei letzterem „schwimmen“ die weichen Kontaktlinsen am cornealen Tränenfilm und die formstabile Kontaktlinse wird erst auf diese aufgesetzt. Auch weiche Keratokonuslinsen stellen eine Option dar, wenn mit den formstabilen Kontaktlinsen ein zu großes Fremdkörpergefühl auftritt.
Kontaktlinsen induzierte corneale periphere Komplikationen
Reiner Bronner beschrieb in seinen Vortrag periphere, epitheliale, corneale Komplikationen – im Speziellen die Hyperfluoreszenz auf der Hornhaut nach dem Absetzen von Kontaktlinsen. Mit einem confokalen Laser-Mikroskop wurde die Flügelzellendichte an eingefärbten Stellen gemessen. Dabei wurde eine Zelldichtenabnahme der Flügelzellen festgestellt. Als Ursache werden hypoxische Ursachen vermutet.
Einfluss der Empfindlichkeit des Lidrandes auf Erfolg formstabiler Kontaktlinsen-Anpassung
Oliver Strobel, MSc präsentierte seine Masterarbeit, in der er untersucht hatte ob es möglich ist bereits im Vorfeld Probanden zu sagen wie lange sie sich an ihre formstabilen Kontaktlinsen gewöhnen müssen. Die Erhebungen erfolgten mit einem Ästhesiometer und einem Fragebogen. Es wurde kein Unterschied zwischen Männern und Frauen festgestellt. Es wurde auch kein Zusammenhang zwischen Schmerzwahrnehmung und dem Anpasserfolg festgestellt.
Trockenes Auge – welche Untersuchungen sind Pflicht und warum
Prof. Wolfgang Sickenberger beschäftigt sich intensiv mit dem Trockenen Auge und welche Untersuchungen Sinn machen. So hat er festgestellt, dass sich bei einem schlechten Tränenfilm der Visus bereits nach acht Sekunden reduziert. Dies ist vor allem bei der Refraktion zu berücksichtigen. Für ein Dry Eye Screening beginnt man idealer Weise mit einem Fragebogen. Tränenminiskusmessung, NIBUT-Messung und Lipcof-Messung sollten auf keinen Fall fehlen. Auch die Betrachtung der Wimpern mit der Spaltlampe wurde dringend angeraten.
Trockenes Auge – wie kann ich das vermarkten
Robert Fetzer vermarktet das Thema “Trockenes Auge” in Form einer Sprechstunde. Für ihn ist es ein absolutes Muss, dass sein Team über trockene Augen Bescheid weiß. Auch empfiehlt er sich über aktuelle Studien und Publikationen zu informieren, da sich viele Sichtweisen und Tests verändern.
Makulaerkrankungen: Beispiele aus der Praxis
Dr. Tobias Dunker arbeitet im Makulazentrum am Institut für Augenheilkunde in Halle. Von seiner dortigen Tätigkeit zeigte er interessante Fallbeispiele und erklärte die jeweils verwendeten Untersuchungsmethoden.
Optometrische Untersuchung bei Menschen mit besonderem Sehhandicap
Prof. Dr. Werner Eisenbarth kümmert sich um die Versorgung von Menschen mit besonderen Sehhandicaps. Mit einem speziellen Test wird das Restsehvermögen visualisiert. Aufgrund dieser Ergebnisse kann die dezentrale Fixation trainiert werden. Mit einer Spezialleseprobe kann der Erfolg standardisiert gemessen werden. Geistig und mehrfach behinderte Menschen haben oft keine ausreichende Selbstwahrnehmung. Dadurch können sie auch oft ihr schlechtes Sehen nicht richtig einordnen und sind auf optometrische Hilfe angewiesen.
AMD – ohje?!
Rene Kreillechner besprach die Versorgung von Betroffenen einer AMD. Die Angst dieser Menschen ist, dass sie ihr bisheriges selbstbestimmtes Leben aufgeben müssten. Mit der richtigen Vergrößerung, Steigerung des Kontrastes und exzentrischer Fixation ist es möglich diesem Personenkreis wieder ihre Selbstständigkeit zurückzugeben. So kann beispielsweise mittels Prismen eine exzentrische Fixation erreicht werden. Weiters ist ein Aniseikonie-Glas eine gute Versorgungsoption um eine dynamische Bewegung erhalten zu können. Auch bietet die Verwendung von unterschiedlichen Kantenfiltern als Clip-On’s zusätzliche Optionen.
Vorgehensweise bei Auffälligkeiten am hinteren Augenabschnitt
Sigrid Müller-Schotte zeigte wie man strukturiert Auffälligkeiten am hinteren Augenabschnitt findet. Jede Frage in der Anamnese ist wie ein eigener Test anzusehen und führt zum Kern des Augenproblems. So kann man mit der Lochblende schnell feststellen, ob ein Refraktionsfehler oder ein anderes Problem die Ursache für eine herabgesetzte Sehleistung darstellt. Die Konfrontationsperimetrie sollte standardmäßig immer durchgeführt werden, motivierte Müller-Schotte. Die Interpretation der Ergebnisse ist immer im Zusammenhang mit Tests und Anamnese zu verfassen.
Einfluss von Medikamenten und Erkrankungen auf die Refraktion
Ralf Bachmann fand in den Statistiken, dass jeder vierte Deutsche regelmäßig Medikamente einnimmt. Da das Auge das bestdurchblutete Organ ist, können systemisch verabreichte Medikamente gut ins Auge gelangen. An der gefäßfreien Hornhaut kommt es zu Ablagerungen durch Medikamente. Die häufigste Nebenwirkung am Auge ist das trockene Auge. Auch hier ist die Anamnese der wichtigste Test bei der Evaluierung.
Interdisziplinäre Netzwerke in der Optometrie – wie gut kann das funktionieren?
Dr. Michaela Friedrich sprach an, wie interdisziplinäre Netzwerke in der Optometrie helfen können. Nicht nur das visuelle System kann Störungen – welche sich auf den Körper auswirken – verursachen. Umgekehrt können Störungen bei anderen Teilen des Körpers das Sehen beeinflussen. Letztendlich müssen alle Störungen einzeln aufgedeckt werden, egal woher sie kommen. Anhand eines Fallbeispiels zeigte Friedrich Zusammenhänge des visuellen Systems mit dem Kiefersystem und dem Bewegungssystem.
Marketing in der Kontaktlinsen-Anpassung
Bastian Schnuchel empfahl in seinem Workshop immer ganz gezielt eine bestimmte Personengruppe anzusprechen. Schnuchel sieht die Ausrichtung auf eine Zielgruppe als wesentlichen Faktor um erfolgreich zu sein. Das beste Marketing für die Kontaktlinsenanpassung ist immer noch die Ansprache der Kunden im Geschäft. Dies sollte oberste Priorität haben.
SLO-Quiz
Fundusbilder einer SLO-Kamera liefern durch die Bilder in Infrarot- und Grünlicht eine detaillierte Interpretationshilfen. Petra Lindner, MSc zeigte in einem interaktiven Quiz Netzhautbilder mit dem Easy Scan. Bei diesem Gerät werden Bilder mit zwei unterschiedlichen Farblasern erstellt. Mit dem grünen Laser wird bis zur retinalen Nervenfasernschicht und mit dem infraroten Laser bis zur Aderhaut gescannt. Die Quiz-Bilder konnte das Auditorium mit ihren eigenen Smartphones interpretieren und beantworten.
Screening vs. Diagnose – Wie überweise ich an den Augenarzt?
Prof Dr. Stephan Degle definierte, dass optometrische Vorsorge selbst noch kein Screening darstellt. Für ein Screening müsse seiner Ansicht nach bereits ein bestimmter Verdacht vorliegen. Das Screening kann nie 100% sein, es werden immer Personen „durchrutschen“, so Degle. Für die Definition der Ergebnisse ist die Dokumentation in Form von Text, Bild und Grafiken wesentlich. Auch wurde erörtert, wie eine effektive und nutzenorientierte, interdisziplinäre Zusammenarbeit erfolgen kann.
Okulare Biomechanik des vorderen Augenabschnitts
Dr. Daniela Oehring beschrieb die okuläre Biomechanik des vorderen Augenabschnittes. Sie führte hierbei unterschiedliche Messmethoden und Geräte zur Untersuchung der Hornhaut an. Die biomechanischen Eigenschaften der Cornea ändern sich aufgrund des Alters und pathologischer Veränderungen wie Keratokonus, Diabetes und Glaukom.
Case Report Myopieprogression – Welche Versorgung ist wann zu empfehlen
Philipp Hessler MSc erläuterte in seinem Vortrag welche Möglichkeiten der Myopiekontrolle zu empfehlen sind. Initial wäre eine Risikoabschätzung sinnvoll, wie zum Beispiel der Fragebogen auf der Homepage bei myopiacare.org. Bei den darauf folgenden Tests soll neben der Myopie auch die Akkommodation und die Vergenzen gemessen werden, da dies in einem wesentlichen Zusammenhang steht. Es sollte zudem immer eine Verbesserung des Lebensstils in Betracht gezogen werden, wie beispielsweise mehr Zeit im Freien, Vermeidung von kurzen Entfernungen bei Naharbeiten und gute Beleuchtung.
Myopiekontrolle – wirksam oder nicht?
Dr. Martin Lörtscher empfahl systematische Daten zu erheben um die Wirksamkeit der Myopiekontrolle zu kontrollieren. Am besten wäre es, im Zuge der Myopiekontrolle die Achsenlänge der Augen zu messen um Veränderungen zu erkennen.
Myopie Management in der Praxis – ein weltweiter Vergleich
Pascal Blaser MSc stellte die Umfrageergebnisse seiner weltweit ausgeschickten Fragebögen vor. Als einer der Fragepunkte wurde die Kommunikation mit Eltern kurzsichtiger Kinder im Geschäft besprochen. Oftmals ist den Eltern das genetische Myopie-Risiko ihrer Kinder nicht bewusst. Allerdings gaben über die Hälfte der befragten Augenoptiker und Optometristen an, dass sie mögliche Lifestyle-Veränderungen mit ihren Kunden besprechen.
Optometrie im Alltag – Wenn die Refraktion ins Auge geht
Mit Hilfe der Optometrie können Auffälligkeiten am Auge entdeckt werden. Michael Wyss zeigte anhand von kurzen Fallbeispielen einen möglichen, strukturierten Ablauf einer eine optometrische Messung. Dazu ist ein standardisiertes Vorgehen die Voraussetzung um diese Auffälligkeiten entdecken zu können. “Eine lückenlose Dokumentation und Überweisung ist eine unschätzbare Visitenkarte für die Zukunft” ergänzte Wyss.
Optometrisches Management bei Myopie und Myopieprogression
Philipp Hessler sprach in seinem zweiten Myopievortrag über das Myopie-Management. Es ist wichtig sich über die Hintergründe des Auftretens der Myopieprogression zu informieren, da auch die Akkommodation und Konvergenz hineinspielen und damit unterschiedliche Korrekturmaßnahmen erfordern, so der Referent.
Wer morgen erfolgreich sein will, muss heute damit anfangen
Thorsten Boss rüttelte die Zuhörer auf, sich für Neues zu öffnen um erfolgreich am Markt zu bestehen. Service versus Dienstleistung: Servicesind Leistungen damit sich der Kunde wohlfühlt. Dienstleistungist eine individuelle Lösung für ein vorhandenes Problem – maßgeschneidert für einen speziellen Kunden. Jede Dienstleistung sollte deshalb auch in der Rechnung aufgelistet werden.
Einfluss von Augenbewegungen auf die Wahrnehmung
Alexander Göttker zeigte in seinem Vortrag, dass die unterschiedlichen Augenbewegungen die wahrgenommenen Geschwindigkeiten von Objekten verändern. Er verglich Sakkaden (Blicksprünge) und Augenfolgebewegungen (Pursuits). Ebenso beschrieb er die Kombination von beiden, welche laufend beim Sehen und beim Wahrnehmen stattfindet.
Mit beiden Augen liest man besser – wie sich beide Augen beim Lesen bewegen und binokulare Vorteile zeigen
Dr. Stefanie Jainta bewies mit Hilfe einer Testeinrichtung, dass man mit beiden Augen besser und auch schneller lesen kann als mit nur einem Auge. Hintergrund ist – so die Vortragende – dass mit beiden Augen ein Text effizienter identifiziert werden kann.So hat es sich herausgestellt, dass der Kontrast keinen Einfluss auf die Lesegeschwindigkeit hat, sehr wohl aber die Textbeschaffenheit. Hierbei spielen die Buchstaben im Wortaufbau selbst, als auch deren Formatierung eine wesentliche Rolle.
Einführung in die Interpretation von OCT-Aufnahmen
Carolin Truckenbrod, MSc gab mit ihrem Referat über die Interpretation von OCT-Aufnahmen eine Einführung welche Reflexe der Netzhautschichten besonders stark zu sehen sind. Sie zeigte wie ein “Bild” bei einem unauffälligen Auge aussieht. Ebenso kann das OCT auch zur Aufnahme des vorderen Augenabschnitts verwendet werden, sowie für den Kammerwinkel und zur Kontrolle einer Sklerallinse am Auge.
Preisakzeptanz und Lukrativität optometrischer Dienstleistungen in der Praxis
Christian Bartels, MSc beschrieb die Preisakzeptanz und Lukrativität der optometrischen Dienstleistungen in der Praxis. In seiner Masterthesis befragte er was Kunden für eine optometrische Dienstleistung bereit wären zu zahlen. Das Ergebnis: Im Durchschnitt wären die Kunden bereit 100 Euro zu bezahlen. Zusammen mit einer Kalkulation erwies sich in der Praxis, dass der letztendlich erzielte Gewinn nicht so hoch war wie der zuvor Errechnete. Bartels konnte jedoch ein Umsatzplus von 10% nach 18 Monaten feststellen. Ebenso erhöhte sich bei den Anwendern der Durchschnittspreis der Brille.
Bildgebende Verfahren zur Untersuchung der Netzhaut
Dr. Andreas Berke referierte über bildgebende Verfahren zur Untersuchung der Netzhaut. Er unterschied zwischen den abbildenden Verfahren, welche ein Bild der Netzhaut erstellen, und den bildgebenden Verfahren, welches auf mathematischen Modellen und Berechnungen beruht und kein Bild im eigentlichen Sinn ist. Die Voraussetzung mit diesen Geräten zu arbeiten ist einerseits die Kenntnis über pathologische Veränderungen der Netzhaut, sowie die Kenntnis über mögliche Artefakte der bildgebenden Verfahren. Auch sei ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber dem berechneten Bild durchaus angebracht.
Kurze Produktvorträge von Visall, Essilor, Rodenstock, Appenzeller Kontaktlinsen, Hoya, und Wöhlk rundeten das Programm ab.
Die Autorin dieses Artikels, Susanne Nemetz, MSc
Augenoptikerin & Master of Science (Klinsche Optometrie/Clinical Optometry)