Es ist bekannt, dass Kontaktlinsenträger sehr häufig unter der Symptomatik „trockener“ Augen leiden. Die Trockenheitssymptome am Auge werden von diesen meist als Sandkorngefühl, Brennen oder auch Ermüdung bezeichnet. Manche klagen sogar über „rote Augen“ und Augenschmerzen. Die Rate der Aussteiger schwankt zwischen 26% und 65% in den verschiedenen europäischen Ländern. Die Hauptursachen, die von den Kontaktlinsenaussteigern angegeben werden, sind mangelnder Tragekomfort und Trockenheitssymptome.
Der Tränenfilm stellt eine wichtige Basis für die Gesundheit und den Schutz der Augenoberfläche dar. Es handelt sich hierbei um eine komplexe Mixtur aus Proteinen, Lipiden, Glycoproteinen (Kohlehydrat-Eiweiß-Verbindungen), Neuropetiden (Botenstoffe des Zentralnervensystems) und Cytokinen (zuckerhaltige Proteine mit regulierender Funktion auf das Wachstum von Körperzellen). Grus et al. konnten in vorangegangen Untersuchungen bereits feststellen, dass Veränderungen in der Proteinzusammensetzung des Tränenfilms als wichtige Anzeichen oder „Marker“ für Krankheiten herangezogen werden können. Denkbar wäre sogar, dass zukünftig die biochemische Analyse des Tränenfilms zur Verlaufskontrolle und Diagnose von Augenoberflächen-Veränderungen mittels objektiven Protein-Biomarker eingesetzt werden kann. Die Grundlage für diese Art von Diagnose stellt die so genannte Proteomik dar.
Proteomik, die Lehre von der Gesamtheit der Proteine
Die Gesamtheit aller Proteine in einem Lebewesen, einem Gewebe, einer Zelle oder einem Zellkompartiment, wird als Proteom bezeichnet. Das Proteom steht in einem Gleichgewicht ständiger Neusynthese von Proteinen bei gleichzeitigem Abbau nicht mehr benötigter Eiweiße. Damit ist es ständig Änderungen in seiner Zusammensetzung unterworfen. Diese Änderungen werden über komplexe Regulationsprozesse gesteuert und werden maßgeblich durch Umwelteinflüsse, Krankheiten, Wirkstoffe und Medikamente beeinflusst. Das Proteom ist somit Spiegel seiner Umwelt und hoch dynamisch. Für den Tränenfilm bedeutet dies, dass sowohl der Einfluss der Kontaktlinse, als auch der der verwendeten All-in-One-Lösung messbar wird, wenn man die Veränderung der Proteinzusammensetzung betrachtet.
In Bakterienzellen umfasst das Proteom je nach Art um die 1.000 bis 10.000 Sorten Proteinmoleküle, beim Menschen rechnet man gesamt mit 500.000 bis 1.000.000 Proteinspezies. Die Modifikationen nach der Proteinsynthese können mit Hilfe von Techniken der Proteom-Analyse erforscht werden.
Für die Erforschung von Proteomen steht eine Vielzahl von Technologien zur Verfügung. Dabei kann zwischen Methoden für die Separation der einzelnen Proteinspezies und solchen für die Charakterisierung und Identifizierung derselben unterschieden werden. Hierzu werden folgenden Methoden verwendet:
- Separation durch Chromatographie, Gelfiltration und/oder Elektrophorese
- Identifikation/Charakterisierung durch Massenspektrometrie, Sequenz-Analyse , Anfärbung oder andere Nachweise
Nach der weitestgehend abgeschlossenen Sequenz-Aanalyse des gesamten menschlichen Genoms verspricht man sich von der Erforschung des Proteoms z.B. eine tiefe Einsicht in die Entstehung vieler Krankheiten und in weiterer Folge die Entwicklung kausal wirkender Medikamente.
Die Proteine im Tränenfilm
Insgesamt wurden bereits über 500 Tränenproteine identifiziert. Bei Kindern findet man eine höhere Anzahl an Proteinen im Vergleich zu Menschen mit zunehmendem Alter. Die Proteine im Tränenfilm dienen hauptsächlich der Infektabwehr durch passiven Transport aus den Kapillaren der Konjunktiva und mit Hilfe der Diffusion durch die Blut-Tränen-Schranke. Dem Tränenfilm wurden bisher überwiegend die Proteinarten Lysozym, Lipokalin, Laktoferrin, IgA und Albumin zugeordnet.
Lysozym
- Protein mit positiver Ladung, das sich insbesondere auf negativ geladenen Kontaktlinsenoberflächen ablagern kann
- Wirkt bakterizid durch Zellwandzerstörung
- Schwache Wirkung gegen Pilze
- Bei Lysozym-Mangel kann sich der pH-Wert des Tränenfilms in Richtung sauer verändern (z.B. bei Allergikern, Rheumatikern, Sjörgren-Syndrom)
Abb. 1 Darstellung der Struktur des Lysozyms
Lipokalin
- Transportprotein für kleine wasserunlösliche Moleküle (wie z.B. Lipide, Steroide, Retinoide = Vitamin A, etc.)
- Kann z.B. bei Kontakt mit Pollen freigesetzt werden
Laktoferrin
- Negativ geladenes Protein
- Wirkt bakteriostatisch durch Einschließung von Eisenverbindungen und verhindert somit die Bakterienvermehrung
- Kann auch bakterizid wirken
Immunglobuline
- Antikörper (Immunglobuline) sind Eiweißstoffe, die der Mensch zur Abwehr von Antigenen (Infektionserregern oder körperfremdem biologischem Material) produziert
- Sie kommen im Blut und in der extrazellulären Flüssigkeit der Gewebe vor
- Im Tränenfilm wird vor allem IgA erwähnt, welches sekretorisch von bestimmten Plasmazellen der Tränendrüse ausgeschieden wird
Tränenspezifisches Präalbumin
- Negativ geladenes Protein
- Zeigt Pufferwirkung mit Lysozym, denn es verringert den pH-Wert
- Ist ein Sekretionsprodukt der Tränendrüse
Eine Veränderung der Zusammensetzung der Proteine im Tränenfilm lässt sich durch so genannte Protein-Biomarker diagnostizieren. Eine Verlaufskontrolle der Veränderungen kann erstellt werden. Biomarker können definiert werden als Indikatoren für aktuelle oder mögliche Änderungen systemischer, organischer, geweblicher Funktionseinheiten, um die Gesundheit und die Wirkung bestimmter Präparate (hier All-in-One-Lösungen in Zusammenhang mit weichen Kontaktlinsen) zu überwachen. Es gibt Biomarker für direkte Auswirkungen, Biomarker für funktionelle und biologische Reaktionen und Biomarker für Zwischenstufen von Krankheiten.
Grus et al. verwendeten zur Mengen-Analyse von intakten Proteinen und Peptiden das Seldi-TOF ProteinChip® System, welches beispielsweise zur Proteinanalyse in der Krebsforschung eingesetzt wird. Allgemein sind Peptide als relativ kurze Aminosäurenketten bis zu ungefähr 50 (maximal 100) Aminosäuren definiert. Peptide werden vorwiegend durch die Proteinbiosynthese gebildet.
Abb. 2: Seldi-TOF ProteinChip® Array zur Trennung und Bestimmung von Proteinen
Resultate Untersuchung Teil I
Bereits 2001 konnten Dr. Grus et al. nachweisen, dass das Kontaktlinsentragen einen Effekt auf die Zusammensetzung der Proteine im Tränenfilm hat. Nun stellte sich die Frage, welchen Effekt Kontaktlinsenreinigungs- und Desinfektionslösungen auf die Proteine des Tränenfilms zeigen, da diese im direkten Kontakt mit der Augenoberfläche stehen und dort u. U. relativ lange verweilen. Ziel war hierbei auch verschiedene Markenprodukte, welche hinsichtlich ihrer Vermarktungsstrategien hohen Tragekomfort versprechen, auf deren tatsächliche Wirksamkeit bzw. deren Einfluss auf die Tränenfilmqualität zu untersuchen. Grus et. al. zeigten, dass bereits nach einer Anwendungsdauer von vier Wochen Complete® sich das Proteinmuster des Tränenfilms in mehr als 50% der Fälle der „natürlichen“ oder „gesunden“ Situation angeglichen hat. Somit waren die genannten Probanden nicht mehr von Nicht-Kontaktlinsenträgern zu unterscheiden. Die Ergebnisse der Versuchsreihe in der Optifree® Express® als Pflegemittel verwandt wurde waren signifikant schlechter. Nach 4 Wochen war hier keine positive Beeinflussung des Proteinmusters zu erkennen. Sämtliche durch das Kontaktlinsentragen induzierten Veränderungen des Tränenfilms waren nach wie vor vorhanden.
Bei einem Blick auf die Veränderungen der Tränenfilmproteine im Detail fallen hierbei zwei Gruppen von Proteinen auf, die sich zwischen Kontaktlinsenträgern und Nicht-Kontaktlinsenträgern signifikant unterscheiden.
- Die Proteine, deren Konzentration bei den Kontaktlinsenträgern im Vergleich zum Normalwert erhöht ist. Einige dieser Proteine sind als pro-entzündliche Aktivatoren bekannt. Hier ist eine Senkung der Konzentration positiv zu bewerten.
- Die Proteine, deren Konzentration im Vergleich zum Normalwert gesenkt ist. Zu diesen gehören die Prolin-reichen Proteine, die protektive Funktionen im Auge haben. Eine Steigerung der Konzentration ist ein Zeichen für eine Normalisierung.
Abb. 3: Zeigt beispielhaft die Ergebnisse für die Veränderung der Konzentration eines Prolin-reichen Proteins (35629 Da.) der als so genannter „protektiver“ Biomarkern eingestuft wird. Protektive Biomarker stehen hierbei für eine Verbesserung der Tränenfilmqualität. Durch den Gebrauch von Complete® (3-1 bis 3-4) werden diese innerhalb 4 Wochen Anwendungszeit bis fast auf das Niveau des Kontrollwertes (1-1) erhöht, was bei der Vergleichslösung Optifree® Express® (2-1 bis 2-4) nicht der Fall war.
Resultate Untersuchung Teil II
Im weiteren Verlauf der Studie ergänzten Grus et al. die Untersuchung (Teil I) um die neusten Formulierungen der Markenprodukte aus dem Bereich der All-in-One-Lösungen Complete® MoisturePLUS™, ReNu® MoistureLoc™ und Solocare® Aqua. Hierzu wurden wiederum verschieden Versuchsgruppen gebildet (Kontrollgruppe n = 29, Complete® MoisturePLUS™, n = 25, ReNu® MoistureLoc™ n = 15, Solocare® Aqua n = 15).
Die Analyse des Tränenfilms der Kontaktlinsenträger auf Basis der Verwendung des „Neuronalen Netzwerkes“ (lernendes Computerprogramm zur Verarbeitung großer Datenmengen) ergab das typische Bild eines signifikant veränderten Proteinprofils der Kontaktlinsenträger im Vergleich zur Kontrolle. So ergab die Analyse der initialen Proben für alle drei Probandengruppen mit Kontaktlinsen das charakteristische Kontaktlinsenträger-Muster (≥ 90%).
Deutliche Unterschiede waren jedoch im Verlauf der Anwendungszeit der verschiedenen All-in-One-Lösungen über vier Wochen festzustellen. Während bei den Versuchsreihen der Produkte ReNu® MoistureLoc™ und Solocare® Aqua keine signifikanten Abweichungen von den initialen Messwerten zu messen waren, zeigte die Versuchsreihe mit Complete® MoisturePLUS™ eine signifikante Annährung an den „natürlichen“ Tränenfilm. Diese Annährung lag wie schon im ersten Teil der Untersuchungen festgestellt in einer Größenordnung von nahezu 50%. Dies bedeutet, dass durch den Gebrauch von Complete® MoisturePLUS™ über einen Zeitraum von nur 4 Wochen der Tränenfilm jedes zweiten Kontaktlinsenträgers mit dem unveränderten Tränenfilm eines Nicht-Kontaktlinsenträgers vergleichbar war.
Abb.4: Abbildung 4 zeigt die Entwicklung des Tränenfilms in Richtung „gesund“ für die Gruppe der Verwender von Complete® MoisturePLUS™ über vier Wochen.
Nach vier Wochen war im Hinblick auf die Struktur des Tränenfilms nur noch jeder zweite Proband dem Kontaktlinsentragen zuzuordnen.
Abb. 5a und Abb. 5b zeigen die Entwicklung des Tränenfilms für die Gruppe der Verwender von ReNu® MoistureLoc™ und Solocare® Aqua über vier Wochen.
Über den gesamten Versuchsverlauf kam es zu keiner signifikanten Veränderung des Tränenfilms gegenüber der initialen Analyse.
Dies bedeutet, dass in keiner der gezeigten Gruppe eine Veränderung des Tränenfilms hin zur natürlichen Situation (Nicht-Kontaktlinsenträger) induziert wurde.
Fazit
Dr. Grus und seine Mitarbeiter konnten in vorangegangenen Studien einen Zusammenhang zwischen dem „Trockenen Auge“ und der Zusammensetzung der Tränenfilmproteine belegen. Außerdem konnte er feststellen, dass auch das Tragen weicher Kontaktlinsen den Tränenfilm im Hinblick auf dessen Proteinzusammensetzung signifikant verändert. Anbieter von Marken-All-in-One-Lösungen werben heute mit einer Vielzahl von Zusätzen die sich positiv für den Kontaktlinsenträger auswirken sollen. Die Auswirkung der neuesten Formulierungen der wichtigsten Pflegeprodukte auf die Augengesundheit im Hinblick auf die Zusammensetzung des Tränenfilms und dessen Proteinstruktur war Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Hierzu wurde eine patentierte Analysenmethode, die so genannte ProteinChip® Technologie, eingesetzt, welche sich insbesondere zur Analyse von proteinhaltigen Lösungen wie Blutserum, Urin oder auch Tränenfilm eignet.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass im Hinblick auf einen positiven Einfluss für den Kontaktlinsenträger lediglich ein Produkt nämlich Complete® MoisturePLUS™ von AMO® hervorzuheben war. Die Analyse des Tränenfilms der Verwender von Complete® MoisturePLUS™ ergab eine signifikante Annährung an den „natürlichen“ Tränenfilm. Diese Annährung lag wie schon im ersten Teil der Untersuchungen festgestellt in einer Größenordnung von nahezu 50%. Dies bedeutet, dass durch den Gebrauch von Complete® MoisturePLUS™ über einen Zeitraum von nur 4 Wochen der Tränenfilm jedes zweiten Kontaktlinsenträgers mit dem unveränderten Tränenfilm eines Nicht-Kontaktlinsenträgers vergleichbar war.
Die Identifikation der Tränenfilmproteine im einzelnen ergab darüber hinaus eine Konzentrationserhöhung Prolin-reicher Proteine gegenüber der initialen Situation (erste Messung), die als so genannte „protektive“ Biomarker eingestuft werden und somit für eine Verbesserung der Tränenfilmqualität stehen.
Für alle übrigen Produkte (Optifree® Express®, ReNu® MoistureLoc™ und Solocare® Aqua) konnten mit der angewandten Methode keine derartigen positiven Effekte festgestellt werden.
Autoren:
Dr. Frank Seibel
Chemieingenieur, Diplom Biologe
AMO Germany GmbH
Rudolf-Plank-Str. 31
76275 Ettlingen
Alexandra Spiegler
Diplom Chemikerin
AMO Germany GmbH
Rudolf-Plank-Str. 31
76275 Ettlingen
www.amo-inc.de
Literatur:
- Pritchard N, Fonn D, et al.; Discontinuation of contact lens wear: A survey; ICLC, Vol. 26,1999
- PD Dr. med. Dr. rer.nat. F. Grus, Dr. A. Wirthlin(2), Universitäts-Augenklinik Mainz (2): Proteognostics, Baar, Schweiz, Einfluss von Kontaktlinsenreinigungsflüssigkeiten auf die Zusammensetzung des Tränenfilmes, 2005
- Michael Job, Zusammenfassung Anatomie & Physiologie Auge, SHFA Olten, 2001
- http://neuropeptid.adlexikon.de/Neuropeptid.shtml
- http://zytokin.adlexikon.de/Zytokin.shtml
- http://www.ilexikon.com/Proteom.html
- http://pfam.wustl.edu/cgi-bin/getdesc?acc=PF00061
- http://www.lexikon-definition.de/Immunglobuline.html
- http://www.eufic.org/de/food/pag/food37/food373.htm
- http://de.wikipedia.org/wiki/Peptid
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