Das Auge ist das wichtigste Sinnesorgan des Menschen. Über 90 Prozent der Sinneswahrnehmungen erfolgen über das Auge. Offensichtlich ist aber nicht allen Konsumenten bewusst, dass gutes Sehen mit Sicherheit keine Selbstverständlichkeit ist. Wie wäre es sonst zu erklären, dass manche der fehlsichtigen Mitbürger im Sog der schon etwas fad gewordenen „Geiz ist geil“ Mentalität Kontaktlinsen – hauptsächlich billig, auch ohne fachmännische Anpassung an ihre Augen lassen. Mögliche Konsequenzen wie schlechtes Sehen oder gar Schäden am eigenen Auge werden von diesen Mitbürgern treu dem Motto „wird schon nichts passieren“ vom Tisch geschoben.
Was ist eigentlich im Denken der Konsumenten da passiert?
Kein Mensch würde auf die Idee kommen sich eine "Standard-Zahnkrone" machen zu lassen. Im Augenbereich jedoch glauben die Konsumenten, dass Kontaktlinsen frei nach dem Baseball-Kapperl-Motto "one size fits it all" zur Verfügung stehen. Viele Konsumenten fragen nach der "besten Kontaktlinse am Markt". Die richtige Frage wäre jedoch nach der "für mich am besten geeignetsten Kontaktlinse". Diese Entwicklung zeigt, wie wenig Aufmerksamkeit der Anpassleistung und wie viel die Wirkung der Werbung für den jeweiligen Kontaktlinsenlabels beim Konsumenten im Vordergrund steht.
Einerseits hat ein Teil der Industrie über einen langen Zeitraum auf den Hinweis über die Notwendigkeit einer Anpassung in ihrem Werbeplan "vergessen", andererseits müssen sich die Kontaktlinsenanpasser auch ein wenig selbst an der Nase nehmen. Die Dienstleistungen müssen im Vorfeld und im Zuge der Kontaktlinsenanpassung besser transparent gemacht werden.
Kontaktlinsen dürfen keinesfalls zum gefährlichen Produkt stigmatisiert werden.
Eine Reduzierung auf eine „one size fits it all“ Mentalität ist aber ebenso verwerflich.
Die Kontaktlinsenoptiker wissen, dass Tauschsysteme eine ebenso sorgfältige Anpassung benötigen wie ein Paar maßgefertigte Kontaktlinsen. Neben den Kardinalparametern Dioptrienstärke, zentraler Hornhautradien, Exzentrizität und Hornhautdurchmesser beurteilt und vermisst der Kontaktlinsenoptiker bei der Kontaktlinsenanpassung ganz selbstverständlich auch den Visus ohne Korrektur, Visus mit Brillenkorrektur, Visus mit Kontaktlinsenkorrektur, den Nahvisus, das limbale Übergangsprofil, die Lidspannung, Lidstellung, Tränenfilmsqualität, die Tränenmenge und kontrolliert ganz nebenbei den gesamten vorderen Augenabschnitt. Sollen es bifokale Kontaktlinsen werden, kommen noch die Messungen der Pupillendurchmesser unter verschiedenen Beleuchtungsstärken und die Ermittlung des Führungsauges hinzu. Einige Kontaktlinsen verlangen sogar noch zusätzliche Messungen.
Fazit: Benötigen wir wirklich immer das volle Anpassprogramm?
Die Antwort lautet: JA. Jeder Kontaktlinsenträger der aufgrund einer schlecht oder gar nicht angepassten Kontaktlinse ausscheidet ist dem Markt meist für immer verloren. Im schlimmsten Fall hat der Kontaktlinsenträger gar Probleme über das schlechte Sehen oder den temporären Diskomfort hinaus.
Die Analyse ist schnell erstellt, doch wie kann man dem Konsumenten die Gefahren eines Kontaktlinsenkaufs ohne Vermessung und „Coaching“ aufzeigen ohne oberlehrerhaft zu wirken? Wahrscheinlich ist die einzige Methode das man das System glaubhaft lebt. So müssen wir uns alle vom Gedanken der Nachversorgung über den Ladentisch trennen.
Gönnt man jedem Konsumenten bei jedem Nachkauf von Tauschkontaktlinsen eine innere Reflexion wird man oft von Alltagserfahrungen hören, die wir bei einem reinen Nachkauf „over the counter“ nie erfahren hätten. So manches Problemchen kann bei einer konsequenten Nachkontrolle vor der Neuanschaffung aus dem Weg geräumt werden bevor es zum Problem oder gar zum Drop-Out kommt.
Nachfolgend sind stellvertretend für die unendlich der vielen Möglichkeiten ein paar Beispiele für die Sinnhaftigkeit von Checks vor dem Nachkauf aufgezählt, die auch vom Konsumenten verstanden werden:
- Eine Veränderung der Fehlsichtigkeit um eine Viertel Dioptrien reduziert die Sehschärfe um 25%. Dies entspricht einer Baulängenänderung des Auges von weniger als einem Zehntel Millimeter oder eine Radiusänderung der Hornhaut von nur fünf Hundertstel Millimeter! Solche geringfügigen Änderungen sind schnell passiert und haben z.B. beim Autofahren in der Nacht große Auswirkungen.
- Lebenssituationen können sich ändern. So stand bei der Erstanpassung vielleicht primär das Tagestragen im Vordergrund und aufgrund einer beruflichen Veränderung wird nun häufig des nächtens gearbeitet. Bei einem anderen Kontaktlinsenträger hat wiederum die PC-Arbeit zeitlich stark zugenommen. Andere Materialien können hier eine deutlich spürbare Verbesserung des Tragekomforts mit sich bringen.
- Der Tragerythmus kann sich geändert haben. So ist man vielleicht mit Tages- oder Farb-Kontaktlinsen zum „ab und zu Tragen“ eingestiegen. Mittlerweile werden die Kontaktlinsen aber nach näherem befragen täglich 16 Stunden getragen. Auch in diesem Fall wäre eine neue Anpass-Strategie überlegenswert.
- Die Tränenfilmzusammensetzung und Menge kann sich zuweilen sehr abrupt ändern. Ernährungsumstellung, Schwangerschaft, Anti-Baby-Pille und Hormonpräparate können den Tränenfilm nachhaltig ändern und damit eine Reaktion in der Kontaktlinsenanpassung notwendig machen.
Kontaktlinsen sind mit all in ihren Vorteilen eine empfehlenswerte Alternative zur Brille. Jeder Brillenkunde sollte auf diese positiven Aspekte angesprochen werden. Schade um jeden Brillenträger, der die Freiheit gut zu sehen nicht am eigenen Leib erfahren hat. Die Fülle der heute angebotenen Kontaktlinsen-Materialien und Geometrien erlaubt die zufrieden stellende Versorgung nahezu aller Fehlsichtigen.
Wichtig ist im Beratungsgespräch transparent zu erklären, was bei der Kontaktlinsenanpassung alles an Dienstleistungen zur Absicherung einer unbeschwerten Langzeitverträglichkeit erbracht wird.