Knapp die Hälfte aller Fehlsichtigen weisen eine astigmatische Komponente über 0,50 Dioptrien auf [1]. Niemand käme auf die Idee die astigmatische Korrektur bei der Anfertigung einer Brille zu ignorieren. Trotz des sehr vielfältigen Angebotes der Kontaktlinsenindustrie, werden zum Beispiel bei der Anpassung weicher Kontaktlinsen nur um die 10 Prozent der Versorgungen mit astigmatischen Kontaktlinsen durchgeführt [2]. Bei der Anpassung von formstabilen Kontaktlinsen wird bei einer ausschließlichen Hornhautbeteiligung der Astigmatismus gegen Null reduziert.
Bei gemischten oder höhergradigen Astigmatismen ist bei der Anpassung formstabiler Kontaktlinsen eine Verwendung von innen-, außen- oder bitorischen Geometrien empfehlenswert.
Torische, weiche Kontaktlinsen-Geometrien
Sphärische Hydrogellinsen können im Gegensatz zu formstabilen Kontaktlinsen einen reinen Hornhautastigmatismus nicht automatisch korrigieren. Aus diesem Grund werden torische Weichlinsen deutlich häufiger als torische, formstabile Kontaktlinsen benötigt. Alle torischen, weichen Kontaktlinsen benötigen jedoch eine Strategie um ein Verdrehen am Auge möglichst zu unterbinden. Dazu kommen prinzipiell drei Arten von Stabilisationsmechanismen zur Anwendung.
Verteilung von Astigmatismen – Statistik von 5854 Brillenträgern
Eine Möglichkeit um das Rotieren einer weichen Kontaktlinse zu unterbinden stellt die prismatische Stabilisation dar. Ein Prismenballast verlagert den Linsenschwerpunkt nach unten und bewirkt die richtige Linsenachse am Auge. Diese Art der Stabilisierung wird auch bei torischen oder bifokalen formstabilen Kontaktlinsen angewandt.
Hydrogelkontaktlinse mit Prismenballast
ie Verwendung von weichen Kontaktlinsen mit Prismenballast ist vor allem bei sehr schwachen Lidspannungen bzw. bei schlaffen Lidern vorteilhaft. Zudem begünstigt eine tiefe Position des Unterlides – also nahezu keine Berührung der Kontaktlinse am Unterlid diese Geometrie.
Tiefe Unterlidposition: eine zentral sitzende Kontaktlinse hätte nahezu keinen Unterlidkontakt
Bei kleinen Linsendurchmessern und dem daraus resultierenden geringen Lidkontakt sollte bei der ersten Messlinse die prismatische Weichlinse zur Anwendung gelangen.
Alternativ dazu stehen weiche Kontaktlinsen mit dynamischer Stabilisation zur Verfügung. Die Stabilisierung erfolgt durch eine Verdünnung der Linsenränder im vertikalen Meridian. Durch den Druck der Augenlider folgt die Kontaktlinsen dem Weg des geringsten Widerstandes und stabilisiert. Einige Hersteller erhöhen diesen Effekt mittels einer zusätzlichen Verdickung der Kontaktlinse im peripheren Bereich des horizontalen Linsenmeridians.
Hydrogelkontaktlinse mit dynamischer Stabilisationsgeometrie
Die Anwendung weicher Kontaktlinsen mit dynamischer Stabilisation zeigt sich vor allem bei strafferen Lidern als erste Wahl. Da diese Strategie auf den Liddruck der Lider basiert sind etwas größere Linsendurchmesser als bei der prismatischen Variante zielführend. Eine schmale Lidspalte bzw. eine hohe Position des Unterlides begünstigt diese Geometrie.
Hohe Unterlidposition: eine zentral sitzende Kontaktlinse hätte ausgeprägten Unterlidkontakt
Einige Autoren [3] sprechen dieser Stabilisationsart auch bei einem Astigmatismus rectus Vorteile zu.
Als dritte Methode kommt eine kombinierte Variante der beiden zuvor genannten Geometrien – die prismatisch-dynamische Stabilisation – zum Einsatz.
Hydrogelkontaktlinse mit prismatisch-dynamischer Stabilisationsgeometrie
Eine weitere Art der Stabilisierung hat an Bedeutung komplett verloren. Vor Jahren waren weiche Kontaktlinsen mit mechanischer Stabilisation erhältlich. Mittels einer Stutzkante am unteren Rand der Kontaktlinse verhinderte das Unterlid das Verdrehen der Kontaktlinse.
Linkes Auge mit einer dynamisch stabilisierenden Hydrogellinse.
Die Kontaktlinse ist nasal leicht aufwärts gedreht.
Wenn die Kontaktlinse nicht exakt auf 180° stabilisiert, so muss bei der Bestellung der Astigmatismus-Achse ein Korrekturwert berücksichtigt werden. Ist die Kontaktlinse im Uhrzeigersinn verdreht, so muss die Gradanzahl der Verdrehung (ausgehend von 180°) zur Achse von der Überrefraktion dazu addiert werden.
Beispiel:
- Achse bei der Überrefraktion über die Messlinse: 20°
- Stabilisationsachse: 170° (10° Differenz zu 180°)
- Bestellwert = 20° + 10° = 30°
Ist die Kontaktlinse gegen den Uhrzeigersinn verdreht, so muss man den Korrekturwert von der in der Überrefraktion gefundenen Achse subtrahieren .
Beispiel:
- Achse bei der Überrefraktion über die Messlinse: 20°
- Stabilisationsachse: 10° (10° Differenz zu 180°)
- Bestellwert = 20° – 10° = 10°
Torische, formstabile Kontaktlinsen-Geometrien
Bei Radiendifferenzen der Hornhaut über 3/10mm sind rückflächentorische Geometrien zur Optimierung des Linsensitzes überlegenswert. Ein Stabilisationsprinzip wie bei den weichen Kontaktlinsen ist hierbei nicht erforderlich. Die rückflächentorischen Kontaktlinsen „rasten“ auf der torischen Vorderfläche der Hornhaut ein.
Rückflächentorische, formstabile Kontaktlinse – die (hier rot markierte) Vorderfläche ist rotationssymmetrisch, die Innenfläche weist 90° zueinander verdrehte, unterschiedliche Radien auf.
Eine abgewandelte Versionen der rückflächentorischen Geometrie stellt die rückflächen-periphertorische Kontaktlinse dar. Die optische Zone ist bei dieser Art sphärisch und weist keine torische, optische Wirkung auf.
Wenn wir uns nun nochmals der rückflächentorischen Kontaktlinse zuwenden und bedenken, dass die Torizität auch in der optischen Zone wirkt so muss auch ein möglicher induzierter Astigmatismus ebenfalls berücksichtigt werden. Dieser induzierte Astigmatismus wird durch die Torizität der Kontaktlinsenrückfläche produziert. Bei der Überrefraktion über die Messlinse wird ein möglicher Restastigmatismus gemessen. Wenn dieser Restastigmatismus zu einer visuellen Einschränkung führt, muss auf der Vorderfläche der Kontaktlinse ein kompensierender Torus angebracht werden.
Bitorische, formstabile Kontaktlinse – die Rückfläche dient zur Sitzoptimierung, die Vorderfläche kompensiert einen induzierten Astigmatismus.
Bei der Bestellung der bitorischen Maßlinse muss die Stabilisationsachse der rückflächentorischen Messlinse berücksichtigt werden. Vorteilhaft ist, wenn die Achse des gemessenen Restastigmatismus mit den Hauptschnittlagen der Hornhaut übereinstimmen. Die Zylinderachsen der Vorder- und Rückfläche kann in diesem Fall gleich sein.
Komplizierter wird es, wenn die Achse des gemessenen Restastigmatismus mit den Hauptschnittlagen der Hornhaut stark differiert. Die Berechnung des Vorderflächentorus gestaltet sich in diesem Fall wesentlich komplizierter und wird zumeist den Herstellern der Kontaktlinsen überlassen.
Neben den rückflächentorischen und bitorischen Kontaktlinsen kommen noch außentorische , formstabile Kontaktlinsen zum Gebrauch.
Außentorische, formstabile Kontaktlinse – die Stabilisation erfolgt mittels Prismenballast
Diese Geometrie wird bei Astigmatismus und einer sphärischen Hornhaut eingesetzt. Die Stabilisierung erfolgt auf der sphärischen Hornhaut ähnlich der hydrogelen Kontaktlinsen mittels eines Prismenballastes.
Eine außentorische, formstabile Kontaktlinse am Auge
Sehr gut erkennbar ist das Stabilisationsprisma am unteren Rand der Linse
Zusammenfassung
Die Anpassung torischer Kontaktlinsen ist bei astigmatischen Komponenten in vielen Fällen sinnvoll. Die Anpassung stellt teilweise eine Herausforderung dar. Die astigmatischen Kontaktinsenträger profitieren jedenfalls von einer höheren Sehschärfe und bei der Anpassung formstabiler Kontaktlinsen von einem deutlich besseren Sitzverhalten gegenüber rein sphärischen Kontaktlinsen.
Quellen und Literatur:
[1] Sample: 5854 Brillenträger eines Österreichischen Kontaktlinsenoptikers
[2] Astigmatismus und weiche Kontaktlinsen, Wolfgang Laubenbacher, Die Kontaktlinse 1-2/2002
[3] Kontaktlinsen, Dr. Heinz Baron, 1991, Verlag deutsche Optikerzeitung
[4] Grundlagen der Kontaktlinsenanpassung, Günter Forst, Verlag optische Fachveröffentlichung, 1993