Immer wieder kommt es zu Versuchen seitens einzelner Ophthalmologen in den Kompetenzbereich der Augenoptiker einzudringen. So gab es konkret im deutschen Laatzen bis vor kurzem einen Fall, wo der dort niedergelassene Ophthalmologe gleich direkt in der Praxis eine „individuelle Anpassung von Brillen nach Bedarf“ für seine Patienten anpries. Diese Vorgangsweise wurde ihm vor wenigen Wochen vom Landesgericht Hannover untersagt.
Der von der deutschen Wettbewerbszentrale angeklagte Augenarzt bot in seiner Ordination etwa 60 Musterbrillenfassungen zum Erwerb über eine mit ihm kooperierende Firma an. Zusätzlich warb der Ophthalmologe auf seiner Homepage unter der Rubrik Leistungen beim Punkt Brillen mit dem Terminus „individuelle Anpassung nach Bedarf“.
Nachdem der Patient eine Fassung mit Hilfe des Praxispersonals ausgewählt hatte, wurden die Daten des Patienten zusammen mit den Refraktionsdaten an die Kooperationsfirma per Fax übermittelt, welche die Brille technisch fertigte. Die Brille wurde in Folge entweder durch die Kooperationsfirma (offensichtlich ohne Endkontrolle am Kunden) direkt an den Patienten geschickt oder an den beklagten Augenarzt, bei dem sich die Patienten die Brille abholen konnten.
Im Juni 2005 erging gegen den Beklagten zunächst eine Abmahnung diese Vorgangsweise künftig zu unterlassen. Einerseits wurde diese auf die Musterberufsordnung der Ärztinnen und Ärzte gestützt, wonach Zuweisung von Patienten an ein Augenoptikunternehmen zur Erbringung der augenoptisch handwerklichen Leistung untersagt ist. Ferner wurde die Verletzung des Trennungsgebots sowie ein Verstoß gegen die Handwerksordnung gerügt, da der Ophthalmologe wesentliche Teiltätigkeiten des Augenoptikerhandwerks bewarb und durchführte, ohne für dieses Handwerk in der deutschen Handwerksrolle eingetragen gewesen zu sein. Ein weiterer Punkt der Abmahnung war, dass die Patienten, beziehungsweise in diesem Fall die Konsumenten, aus Sicht des Klägers über die betrieblichen Verhältnisse des Beklagten nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb irregeführt wurden.
Mit Urteil des Landesgerichtes Hannover wurde der Ophthalmologe schließlich verurteilt [1], es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet mit der Aussage zum Thema Brillen mit der Aussage „Individualanpassung nach Bedarf“ im Rahmen seines Leistungskataloges zu werben. Darüber hinaus darf er im Zuge der durchgeführten Refraktion keinen Liefervertrag mehr über eine Brille vermitteln bzw. abschließen. Weiters wurde dem Beklagten untersagt die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen beziehungsweise die vom Kooperationspartner angefertigte Brille an den Patienten bzw. Konsumenten abzugeben.
Deutschen Ärzten ist es untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produktes wegen dessen Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Aus den Entscheidungsgründen geht hervor, dass das Landesgericht Hannover die geschilderte Vorgangsweise wettbewerbswidrig im Sinne der deutschen Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte sowie der deutschen Handwerksordnung sieht.
Den Einwand des Ophthalmologen, dass bei verschiedenen Augenpathologien das Wissen der Optiker nicht ausreiche um aus den vom ihm gemessenen Refraktionswerten zu einer sachgerechten Anfertigung einer wirksamen Brille zu gelangen, sah der Richter als völlig unbegründet.
Die Argumentation des Ophthalmologen ist auch deshalb unschlüssig weil es unstrittig ist, dass die vermittelten Patienten nicht persönlich bei dem Kooperationspartner erschienen sind. Die Brillenhersteller-Firma liegt circa 3,5 Reisestunden vom Sitz des beklagten Ophthalmologen entfernt. Gerade bei schwierigen Anpassungsverhältnissen ist es jedoch völlig unstrittig, dass der persönliche Eindruck vom Fehlsichtigen durch den Optiker entscheidend für den Seherfolg mit der anschließend gefertigten Brille ist.
In Österreich derzeit ähnliche Tendenzen
Mitte Juni 2006 kontaktierte ein Augenoptiker [2] mehrere Ophthalmologen in Ballungszentren. Als Gegenleistung für seine kostenlos in der Ordination angebotenen Refraktionstätigkeit, möchte er den Verkauf von neuen Brillen direkt vor Ort beim Ophthalmologen durchführen. Laut dem Schreiben des Augenoptikers an die Augenärzte wurde diese Vorgangsweise bereits mit Salzburger Ophthalmologen "positiv" getestet. Man darf gespannt sein wie der programmierte Rechtsstreit in Österreich ausgehen wird.
Quellen:
[1] Landgericht Hannover, Geschäfts-Nr.: 26 O 130/05 vom 16.05.2006
[2] Brief des Optikers an Ophthalmologen liegt der Redaktion vor