Blaublocker in Kontaktlinsen – zukünftig mehr als eine Nische?

Auf die Kernfrage dieses Artikels gibt es sicher noch keine unumstrittene Antwort aus Sicht der optischen Industrie, der Augenoptiker, der Augenärzte und Ophthalmologen. Aber es gibt „sie“ eben schon seit längerem und es gibt ein ansteigendes Interesse, wenn es um das Thema Blaulichtschutz und optische Sehhilfen geht. 

Als Hersteller einer sehr großen Varianz an hochwertigen weichen und formstabilen Individualprodukten, auf der Grundlage einer eigenen Materialforschung und Polymerherstellung für alle Kontaktlinsenmaterialien, ist bei Wöhlk diese Frage seit vielen Jahren thematisiert und auch mit unterschiedlichen Zielen bereits erforscht worden. Vor diesem Hintergrund werden einige Aspekte aus optischer und materialchemischer Perspektive vermittelt und dabei die medizinisch biochemischen Effekte absichtlich kaum berührt, zumal hierzu die Erkenntnislage zwar hoch aber eben auch nicht durchweg eindeutig ist.

1) Sehhilfen mit Blaublocker 

Der Schutz oder die Filterung von spektralem „blauen Licht“ ist für moderne Sehhilfen (Brillen, IOL und Kontakt-/Sklerallinsen) eine Art „Nachfahre“ zum allgegenwärtigen UV-Schutz, der bei den Brillen Standard und bei den verschiedenen Linsenprodukten am/im Auge auch sehr häufig vorhanden ist. Die Kontaktlinsenhersteller bieten teilweise sehr guten oder guten UV-Schutz (UV-A und UV-B) an. Jedoch gibt es hier weiterhin auch viele bekannte Materialien und Produkte, die über keinen UV-Absorber verfügen. Wenn keine Angabe am Produkt erkennbar ist, sollte daher bei Bedarf nachgefragt werden. Im Unterschied zu den bekannten Risiken durch ungefilterte UV-Einstrahlung am Auge[1] gibt es für die Wellenlängen von violettem und blauem Licht keine gleichwertige Besorgnis. Dennoch gibt es Verunsicherung über die „gesunde Dosis“ und die Risiken bei langfristiger ansteigender Blaulichteinstrahlung (Photostress) u.a. durch die Zunahme der täglichen Verwendung von künstlichen Blaulichtquellen (LEDs, Monitore, Smartphones).

In der Literatur wird vielfach der Wellenlängenbereich von 380 bis 500nm als Blaulichtbereich bezeichnet. Es ist nun aber keineswegs Zielsetzung für IOLs oder Kontaktlinsen, diesen gesamten Bereich des Lichts bei Bedarf heraus zu filtern und zum Schutze der Augen möglichst stark zu reduzieren, wie es sicherlich bei Sonnenbrillen berechtigt ist. Es geht vielmehr um die Bewahrung sehr relevanter Strahlungen, insbesondere im Bereich von 480nm (blau-grün). Dieser Bereich ist sensibel für die Synchronisierung der inneren biologischen Uhr und für die Steuerung der Pupillenkontraktion. Hingegen gelten die sehr energiereichen Wellenlängen des blau-violetten Bereichs von 380 bis ca. 450nm bei einer vermehrten Exposition als eine mögliche Ursache für eine altersabhängige Makuladegeneration (AMD) nach Kataraktoperationen[2;6]. Weltweit betrachtet sind zunehmend viele Menschen dem Risiko einer phototoxischen Augenerkrankung ausgesetzt. Es werden Zahlen von ca. 3,2 Milliarden genannt[1;4], wobei die Risikogruppen Kinder und Erwachsene über 45 Jahre sind.

LichtspektrumAbb. 1) Farbspektrum des sichtbaren Lichts

Da der Stand der Forschung nach heutigem Kenntnisstand einen Zusammenhang zwischen der Exposition an blau-violettem Licht und insbesondere einer beschleunigten AMD erkennen lassen, zwar noch ohne endgültige Beweisführung, gibt es ein langsam wachsendes Interesse an Produkten mit mehr oder weniger Blaublockeranteilen. Die Thematik bekommt durch steigende Vermarktung von Brillen mit Blaufilter mehr Öffentlichkeit, ist aber auch schon seit vielen Jahren in ausgewählten Linsenprodukten verfügbar.

2) Materialkonzepte zur Blaulichtfilterung in IOLs und Kontaktlinsen

Die IOL-Produkte haben deutlich vor den Kontaktlinsen aus genannten Gründen (AMD-Schutz nach Katarakt) Forschungsstudien initiiert und befinden sich in einer intensiven Diskussion über den Sinn und Nutzen von diesen Linsen mit Blaulichtfilter[2;3;6]. Es ist dabei deutlich ein Anstieg der Vielfalt an „gelben“ IOLs zu bemerken, die mittlerweile entweder als dauerhaft gelb gefärbte Linsen erhältlich sind[7], oder auf Basis eines photochromen Farbstoffs, der dann mit einer sehr geringen zeitlichen Verzögerung (10s) bei Lichteinwirkung die Linse gelblich einfärbt und den Blaulichtschutz erreicht, und bei geringem Licht und Dunkelheit innerhalb von 30s n. A. wieder farblos wird[5;10]. Die erforderlichen Farbstoffe in den Materialien werden als Rohstoffadditive in der Herstellung unlöslich und damit dauerhaft im Polymernetzwerk eingebunden. Im Falle der photochromen IOL wird ein ca. 50%iger Blaulichtschutz angegeben.

Seit nunmehr fast 10 Jahren gibt es im Bereich der modernen Kontaktlinsen ebenfalls gelbe Blaufilterlinsen, die jedoch aus Gründen der Verbesserung der Sehschärfe und des besseren Kontrastsehens entwickelt worden sind. In dieser Produktnische gibt es die sog. Sportlinsen (Abb. 2), die es in drei Farbvarianten, in großer parametrischer Auswahl, als moderne Austauschlinsen bei Fa. Wöhlk auseigener Herstellung gibt.

Sport Contrast für In- und Outdoor BereichAbb. 2) Sport Contrast für In- und Outdoor Bereich

Um den unvermeidbaren gelben Farbton einer Blaulichtfilterlinse etwas weniger auffällig am Auge zu erreichen, werden die Linsen ohne eine Randeinfärbung aufwendig getönt. Die Linsen sind primär für Kunden mit sportlichen Ambitionen entwickelt worden, erfüllen aber darüber hinaus auch sehr deutlich die Absorption von dem energiereichen violett-blauem Licht (Abb. 3) und können so auch für Kunden mit erhöhtem Bedarf an AMD-Prävention empfohlen werden. Zu beachten ist, dass diese Linsen den größten Anteil des violetten Lichts absorbieren (>50%).

Lichtspektrum Kontaktlinse Wöhlk SPORT Contrast gelbAbb. 3) Lichtspektrum Kontaktlinse Wöhlk SPORT Contrast gelb

Wenn die gelbe Tönung der Linsen einen unakzeptablen Farbton aus kosmetischen Gründen darstellt, kann aktuell kein guter oder sehr guter Blaulichtschutz als Kontaktlinse angeboten werden. Produkte, die farblich fast unverändert bleiben sollen, also entweder ganz farblos oder nur einen sehr geringen meist grün- oder bläulichen Handling-Tint enthalten sollen, können physikalisch bedingt keinen guten (≥50%) Blaulichtschutz erreichen. Im Gegensatz zum UV-Schutz, wo der Kontaktlinse der Gehalt an UV-Absorber nicht „anzusehen“ ist, ist eine quasi sehr hellfarbige Kontakt- oder IO-Linse ein Hinweis auf einen sehr geringen Blaulichtschutz. Die Farbtiefe der Linsen und entsprechend der resultierende Lichtschutz ist dabei natürlich von der Linsendicke zusätzlich abhängig, da die Lichttransmission dem Lambert-Beer‘schen Gesetz folgt. Hohe Pluslinsen werden daher messbar mehr Blaulichtschutz aufweisen als Minuslinsen. Üblicherweise werden vergleichende Untersuchungen auch für UV-Schutz und andere Materialeigenschaften an schwachen Minuslinsen durchgeführt (z.B. -3,00dpt). 

Es kommen bereits erste Linsenprodukte auf den Markt mit dem Hinweis auf UV- und Blaulichtschutz. Diese Linsen sind farblich sehr hellgelb, vermutlich um den Kunden keine auffällig durchgängig gelbe Linse am Auge zuzumuten. Entsprechend gering ist dann auch der Blaulichtschutz durch dieseLinsen (<20%).

Im Bereich der medizinischen Kontaktlinsen (Abb. 4), die im Hause Wöhlk in vielen Varianten hergestellt und gefärbt werden, haben diese kosmetischen Aspekte keine Priorität, so dass diese sehr dunklen braunen oder auch teilweise schwarzen Produkte als Kantenfilter und Blendschutz immer auch UV- und vollen Blaulichtschutz gewährleisten (Sonderfertigung).

SP-Kontaktlinse und RP/SP-KontaktlinseAbb. 4) SP-Kontaktlinse RP/SP-Kontaktlinse

Die kosmetischen Farblinsen zur Veränderung der persönlichen Augenfarbe sind ebenfalls seit Jahrzehnten eine Option für viele Interessenten. Hierbei ist mehr Farbtiefe ebenfalls ein indirekter Effekt, der zu Blaulichtschutz führt. Im Falle der Wöhlk-Farblinsen vom Typ Weflex color ergeben sich so ca. 10 bis 60% Blaulichtschutz, abhängig von der gewählten Farbe und Farbtiefe.

2.1) Struktur eines Blaublockers 

Als Materialzusatz (Additiv) wird der Blaulichtschutz am besten durch die Beimengung einer geeigneten Menge eines Derivats vom Typ des 4-Phenylazophenol (Abb.5) erreicht.

PAP (4-Phenylazophenol)Abb. 5) PAP (4-Phenylazophenol)

Eine dauerhafte, chemisch beständige Einbindung in das Polymernetzwerk der Kontaktlinse, ist jedoch nur durch eine polymerisierbare Modifikation als Acrylatmonomer (Abb. 6) zu erreichen.

chemische Struktur eines Blaublockers (2-Propenoic acid, 2-methyl-, 4-((1E)-phenylazo)phenylester)Abb. 6) chemische Struktur eines Blaublockers (2-Propenoic acid, 2-methyl-, 4-((1E)-phenylazo)phenylester)

Diese Copolymerisation eines Blaublockers ist dann langzeitstabil und hat keine Handhabungseinschränkungen. Die chemische Struktur eines Phenylazophenols hat einerseits die gewünschten Absorptionseigenschaften, bewirkt jedoch neben einer Materialgelbfärbung mit zunehmenden Gewichtsanteil auch Änderungen der mechanischen Linseneigenschaften (Härte, Modulus etc.). Die Patentliteratur beschreibt zu dem Thema zahlreiche Möglichkeiten und auch Modifikationen der dargestellten Strukturen[11,12,13]

Um keine zu starken Einflüsse oder andere ungewollte Nebeneffekte am Material zu bekommen, ist es daher sinnvoll, mit relativ geringen Mengen eines Blaublockers zu polymerisieren oder das Material gar nicht derart zu verändern, sondern sehr definiert Linsenprodukte zu färben. Durch eine aufwendigere nachträgliche kovalente Einbindung sehr geringer Mengen Farbstoffe in das Materialnetzwerk (Abb. 2,3,4) kann so bei Bedarf auch hoher Blaulichtschutz erreicht werden.

Fazit

Im Unterschied zum UV-Schutz besteht für Kontaktlinsen aktuell kein starker Bedarf, um Blaublocker im Material einzubringen. Eine effiziente Filterung wird erst mit deutlich eingefärbten, meist gelben Linsen und damit wenig attraktiven Linsenfarbtönen erreicht. Die chemische Einbindung ist durch hochwertige Rohstoffe oder spezielle Farbstoffe seit Jahren erreicht, sowohl für Hydrogele als auch für formstabile RGP‘s, und ist u.a. in den genannten modernen Sportlinsen verfügbar. Diese Produkte haben speziell den Vorteil, nicht im Linsenrandbereich gefärbt zu sein und dadurch deutlich weniger am Auge „aufzufallen“. Die weiterhin diskutierte Frage nach dem Nutzen könnte sich in Zukunft sicherlich ändern, wenn es zu immer mehr Belastungen (Photostress) durch violett-blaues Licht kommt. Gegenwärtig handelt es sich noch um Nischenprodukte, was bei IOL-Produkten ganz anders einzuschätzen ist, und durch die zahlreiche Studienergebnisse stärker motiviert, Möglichkeiten für mehr AMD-Schutz zu bieten.

Verfasser des Artikels:
Roland Fromme; Leitung Materialforschung
Wöhlk Contactlinsen GmbH
24232 Schönkirchen
Deutschland

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Literatur:

  1. Bütikofer K.: Schädliches Blaulicht und UV-Schutz. Schweizer Optiker 2014(3), 19
  2. Heiting G.: Blue Light:It’s Both Bad And Good For You. AAV Media, LLC www.allaboutvision.com(CVS/blue-light.htm 2017
  3. Mester U. Prof. Dr.: Ist der Blaulichtfilter in der IOL sinnvoll? Ophthalmologische Nachrichten 2016
  4. Bargetzi Y. Crizal Prevencia UV: Essilor führt präventive Brillengläser mit selektivem Schutz vor schädigendem blauen Licht sowie vor gefährlicher UV-Strahlung ein
  5. MATRIX Aurium; http://www.aivimed.de/patienten/katarakt-3/matrix-aurium/
  6. Augustin C.: Blaufilter-Intraokularlinsen ,Ein Update; Concept Ophthalmologie 02/2015 (19-21)
  7. Mehr als Standard: Augenlicht 4/2013 (14/15)
  8. Hedrich M.: Good night everyone! Blue light keeps us awake, GlobalCONTACT 1-16 (26-29)
  9. Loperfido F., Marchese A.: Klinische Evidenz und Vorteile der Filterung von schädlichem Licht, Points de Vue – International Review of Ophthalmic Optics 07/2016 (1-5)
  10. Avalos G.: Two-Year Clinical Experience With a Photochromic IOL, Cataract & Refractive Surgery Today Europe 07/08 2008 (22/23)
  11. EP 2247976 B1: Ophthalmic Lens Having a Yellow Dye Light Blocking Component
  12. US 8,047,650 B2: Ophthalmic devices having a highly selective violet light transmissive filter and related methods 
  13. US 2006/0241263A1: Novel reactive yellow dyes useful for ocular devices

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