Interview mit Christian Kirchmayer zu coastal.com

Essilor International hat vor kurzen eine verbindliche Vereinbarung zum Erwerb der Stammaktien des Onlineshops coastal.com abgegeben. Die Transaktion um rund 430 Millionen kanadische Dollar – umgerechnet 280 Millionen Euro – soll Ende April abgeschlossen sein. Welche Auswirkungen hat es, wenn der Brillenglashersteller Essilor einen Brillen-Onlineversand kauft? Das optikum hat dazu Christian Kirchmayer, Geschäftsführer von Essilor Austria befragt.

Herr Kirchmayer, wie wollen Sie den österreichischen Augenoptikern den Ankauf des Brillen- und Kontaktlinsenversenders coastal.com durch Essilor International erklären?

Der Onlineversand im globalen Vision Care Markt beträgt derzeit gerade einmal etwa vier Prozent. In Europa ist man da sogar noch konservativer. Nur etwa 2 Prozent der Sehbehelfe werden aktuell auf unserem Kontinent über das Internet gekauft. Der Internethandel wird aber zukünftig mit und ohne Essilor einen höheren Stellenwert einnehmen. Essilor will mit dem Erwerb von coastal.com keinen Alleingang machen. Für Essilor stellt coastal.com ein wesentlicher, strategischer Hebel dar um den  Internethandel mit den Optikern gemeinsam mitzugestalten.

Das klingt ja sehr gut, aber wird der Online-Brillenverkauf eines so großen Shops letztendlich nicht doch den traditionellen Fachoptiker schwächen?

Der Vertriebsweg für einfache Sehlösungen gehen zu einem erheblichen Teil nicht über den Fachhandel. Denken Sie zum Beispiel nur an die riesigen Stückzahlen bei Fertigbrillen. Oder an Planosonnenbrillen. Hier gehen in Österreich heute schon über 70% des Absatzes zur Gänze am Optikfachhandel vorbei. Mit der Übernahme von coastal.com wird es Konzepte geben um sich mit dem augenoptischen Fachhandel auch in Zukunft gut zu positionieren. 

Nun gut, aber wie kann der Onlineshop von coastal.com dazu dienen auch einfache Sehlösungen über den Fachhandeln zu vertreiben?

Varilux Gleitsichtbrillengläser und andere Essilor Markenprodukte werden über coastal.com nicht vertrieben werden. Diese Produkte sehen wir auch langfristig in der alleinigen Kompetenz des Fachoptikers. Es gibt jedoch bereits jetzt Augenoptiker, welche teils erfolgreich über Internetshops verkaufen. Essilor fühlt sich verpflichtet auch dem breiten augenoptischen Fachhandel diesen Zugang zu ermöglichen.

coastal.com

Wie soll dieser Zugang aussehen?

Essilor wird gemeinsam mit seinen traditionellen Kunden diesen Absatzweg gestalten. Dies geschieht auch zum Nutzen der Branche und der Verbraucher. Klar ist jedoch, dass auch Produkte die bereits jetzt am Optiker vorbeilaufen wieder über den Optiker vertrieben werden sollen. Die Positionierung beim Konsumenten wird für Fachoptiker und auch für Brillenglashersteller wie Essilor immer wichtiger. Wie gesagt werden von Essilor keine Markengläser über coastal.com vertrieben werden.

Dem gelernten Österreicher kommt da jetzt gleich in den Sinn, dass dies zu Beginn so sein könnte um später aufgeweicht zu werden…

Das wäre leichtsinnig, da die Fachoptiker für Essilor den wichtigsten Absatzmarkt darstellen. Das Gegenteil der Aufweichung ist der Fall – Essilor will über das Medium Internet den Konsumenten komplexe Sehlösungen erklären. Dafür ist das Internet eine ausgezeichnete Plattform. Der Vertrieb über das Internet wird idealerweise so konzeptioniert sein, dass der Fachhandel mit Essilor mitpartizipiert.

Wenn man sich jetzt den kanadischen Auftritt von coastal.com  ansieht bemerkt man aber keine Einbindung der kanadischen Optiker…

Essilor wird die Geschäfte von coastal.com bewerten, wozu auch die kommerzielle und die Preispolitik gehören und Sie mit Essilors Strategie in Einklang bringen.

In Großbritannien hat coastal.com ja bereits Fuß gefasst. Wann wird coastal.com in Österreich auftreten?

Dazu gibt es derzeit keinen Termin. Der Fokus bleibt derzeit in den angelsächsischen Ländern.

Der Onlineshop von coastal.com vertreibt auch Kontaktlinsen. Nimmt Essilor gar wieder den Großhandel mit Kontaktlinsen auf?

Dazu ist derzeit nichts bekannt. 

In welcher Form sollen sich Ihrer Meinung nach die österreichischen Augenoptiker der Herausforderung Internet stellen?

Vor allem für Filialisten kann es Sinn machen einfachere Sehprodukte über einen Onlineshop als zusätzlichen Vertriebsweg zu überlegen.

Und wie sollen die traditionellen Optiker – etwa mit einer Filiale – Ihrer Ansicht nach mit dem Medium Internet umgehen?

Ich sehe für Augenoptiker unter anderem eine ausgezeichnete Chance in der Positionierung als Optometrist. Wenn man sich mit der Kompetenz eines Optometristen positioniert, wird der persönliche Kontakt zum Kunden maßgeblicher sein als die Schiene über den Internetshop. Nichtsdestotrotz kann auch ein Onlineshop eine gute Ergänzung sein. Es gibt ja auch schon Beispiele einzelner Optiker mit Onlineshops. Es ist aber die Informationen zu Produkten und Dienstleistungen über das Internet maßgeblicher und wichtiger als der Onlineshop selbst. Ein Auskommen gänzlich ohne Webauftritt ist deshalb nicht klug. In Zukunft wird es wesentlich sein, zwischen Information und Onlineverkauf eine klare Trennlinie zu setzen. So muss die Kompetenz vorhanden sein auch einfache Sehprodukte über die eigene Webpräsenz zu erklären. Andererseits muss klar kommuniziert werden, in welchen Fällen es auf jeden Fall notwendig ist zum Optometristen oder Fachoptiker zu gehen um sich vermessen zu lassen. Genau diese Trennlinie ist Essilor besonders wichtig. Und eine gemeinsame Zukunft in Partnerschaft mit den Fachoptikern.

Sie denken also, dass man mit coastal.com in Österreich gemeinsam mit den Fachoptikern profitieren kann?

Wir haben mit coastal.com ganz sicher eine große Verantwortung, wie das Internet in der Fachoptik zukünftig verwendet wird und wie man die Zukunft gemeinsam mit den Fachoptikern gestalten wird. Man kann sich dem Trend der Zeit nicht verschließen. Die Herausforderung ist, die Partnerschaft mit den Fachoptikern für einen gemeinsamen Erfolg im Internet auch gemeinsam mit den Fachoptikern zu definieren.

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