Interview mit Paul Rose zur Kontaktlinsenlinsenanpassung bei Keratokonus

In der Kontaktlinsenoptik gelten Personen mit einem Keratokonus als besonders treu. Diese Loyalität basiert einerseits auf der Sensibilisierung der Betroffenen hinsichtlich ihrer spezifischen Augenprobleme und andererseits, auf ihre Erfahrungen mit dem beachtlichen Aufwand im Anpassvorgang.

Die Prävalenz eines Keratokonus differiert weltweit stark in Abhängigkeit der geografischen Lage[1]. In Deutschland sind etwa ein halbes Promille der Gesamtbevölkerung von einem Keratokonus betroffen[2,3]. In Österreich geht man von ähnlichen Werten wie in Deutschland aus[4]. Dies bedeutet, dass gemessen an der Bevölkerungsstatistik in Deutschland[5] etwa 41.150 Personen und in Österreich[6] etwa 4.370 Personen von einem Keratokonus betroffen sind. Die doch beachtliche Anzahl des Personenkreises rechtfertigt einen etwas genaueren Blick auf die Anpassung von Keratokonus Kontaktlinsen.

Paul Rose – der mehrmals ausgezeichnete, neuseeländische Erfinder der ROSE K Kontaktlinsen – war im Oktober 2017 zu Besuch in Wien und gab ein Interview zu seinen weltweit bewährten Keratokonus Kontaktlinsen und deren Anpassung.

Paul Rose Interviewv.l.n.r.: Christian Schneegaß (Key Account Manager Menicon Österreich), Paul Rose und optikum Chefredakteur Harald Belyus über den Dächern Wiens

Mr. Rose – gab es eine persönliche Motivation zur Entwicklung Ihrer ersten Keratokonus Kontaktlinse?

Meinen ersten Zugang zu Kontaktlinsen erfuhr ich bereits an der Universität. In den 80er-Jahren startete ich dann mit der Entwicklung einer Keratokonus Kontaktlinse. Genau genommen habe ich mich aber schon in den 20 Jahren davor mit dem Thema Keratokonus intensiv beschäftigt. Wie es der Zufall wollte, war gleich mein zweiter Kontaktlinsenanpassfall ein Keratokonusfall. Mir war bereits damals klar, dass eine normale Kontaktlinsengeometrie bei der Anpassung sicher nicht zum Erfolg führen konnte. Auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass seit den 60er-Jahren bereits asphärische Designs zur Verfügung standen. Erst die Computer gesteuerten Designs haben dann die Welt der Kontaktlinsen verändert. Plötzlich konnte man zum Beispiel die Optikzone individuell gestalten und damit Kontaktlinsen herstellen, die auf die jeweilige Person zugeschnitten waren. Meine Motivation zur Entwicklung einer Keratokonus Kontaktlinse basierte auf meiner Erkenntnis, dass einerseits die Anzahl der Keratokonusfälle zunahm und andererseits diesem Faktum – aufgrund der damals komplizierten Anpassung – nur eine sehr limitierte Anzahl an Keratokonusexperten gegenüber standen.

Welche Charakteristik weisen ROSE K Kontaktlinsen auf und wie differiert der Anpassvorgang gegenüber herkömmlichen Keratokonus Kontaktlinsen?

Der Kontaktlinsensitz wird mit einem bewährten, fünfstufigen Prozess realisiert. Im ersten Schritt wird die Basiskurve mit einer Faustregel ausgewählt. Nach dem Aufsetzen der ersten Messlinse wird im zweiten Schritt das zentrale Sitzverhalten der Kontaktlinse evaluiert. Erst danach wird im dritten Schritt das periphere Sitzverhalten beobachtet und gegebenenfalls durch Änderung der Randgestaltung – dem Edgelift – optimiert. Im vierten Schritt wird der Gesamtdurchmesser der Kontaktlinse bewertet. Im fünften und letzten Schritt wird die Bewegung der Kontaktlinse am Auge begutachtet. Ist der Sitz der Kontaktlinse zufriedenstellend, wird mittels Überrefraktion über die Messlinse die Definitivlinse ermittelt und bestellt.

Paul Rose InterviewPaul Rose: „Der strukturierte 5-Schritte-Plan bei der Anpassung führt zum Erfolg“

Der Vorteil für die Kontaktlinsenanpasser liegt in der Strukturiertheit dieses Fünfpunkteplans. Zudem müssen nach Änderungen in den Geometrien durch den Anpasser gegenüber der aufgesetzten Messlinse, keine daraus resultierenden Modifikationen für die nächste Kontaktlinse berücksichtigt werden. Wird etwa ein Parameter vom Kontaktlinsenanpasser geändert, so ist die daraus resultierende Kontaktlinse automatisch wieder hinsichtlich der Geometrie optimiert. Diese Vorgangsweise führt zu einem etwa 80prozentigen Anpasserfolg mit der ersten Definitivkontaktlinse.

Welchen Stellenwert hat die Asymmetric Corneal Technology bei der erfolgreichen Keratokonus Kontaktlinsenanpassung?

Früher war durch die Symmetrie der Kontaktlinsen eine individuelle Fertigung limitiert. Mit den Computer basierenden Fertigungstechniken kann man jedoch differierende Kurven in den unterschiedlichen Meridianen der Kontaktlinse realisieren.

Paul Rose, Asymmetric Corneal Technology Paul Rose: „Mit der Asymmetric Corneal Technology – ACT – wird mit Keratokonus Kontaktlinsen ein besserer Sitz erzielt“

Im Regelfall weist eine Cornea mit Keratokonus eine asymmetrische Form auf. Der untere Quadrant ist dabei im Vergleich zum oberen Quadranten meist signifikant steiler ausgeprägt. Dies führt bei rotationssymmetrischen Kontaktlinsen zu einem typischen Abstehen bei sechs Uhr. Mit der Asymmetric Corneal Technology – kurz ACT genannt – wird die Kontaktlinse im unteren Quadranten deutlich steiler gefertigt als im oberen Quadranten. Dies gewährleistet ein deutlich besseres Sitzverhalten. Der Grad der ACT kann unabhängig von der Basiskurve und dem Edgelift gewählt werden.  

Welche Art von ROSE K Kontaktlinsen gibt es derzeit am Markt?

Die ursprüngliche ROSE K Kontaktlinse weist eine sphärische Front- und Rückseite auf. Die im Jahr 2000 weiterentwickelte ROSE K2 bietet hingegen eine asphärische Rückseite und korrigiert damit Aberrationen höherer Ordnung, welche ursprünglich durch die Mehrkurvigkeit in den unterschiedlichen Quadranten zwingend hervorgerufen werden. Die Korrektur dieser Aberrationen ist vor allem bei einem Keratokonus in einem fortgeschrittenen Stadium und auch bei weit gestellter Pupille – etwa beim Autofahren in der Nacht – von deutlichem Vorteil.

Die Geometrien ROSE K2 IC und ROSE K Post Graft kommen im Fall einer irregulären Cornea, bei pellucider, marginaler Degeneration (PMD), einem Keratoglobus, bei einer Ektasie nach LASIK und nach einer Hornhauttransplantation zum Einsatz. Bei der Fertigung dieser Kontaktlinsen werden eine möglichst große Optikzone und ein differenter Edgelift – im Vergleich zur Rose K und Rose K2 – umgesetzt.

Es gibt neuerdings noch eine weitere formstabile ROSE K Geometrie – in welchen Fällen empfehlen Sie die Anpassung der ROSE K2 XL?

In einigen Fällen, wie zum Beispiel bei einer pellucider, marginaler Degeneration (PMD) zentriert die ROSE K2 XL deutlich besser als andere Kontaktlinsen. Auch bei einem erhöhten Fremdkörpergefühl stell die XL Variante eine ausgezeichnete Alternative dar. Des Weiteren ist ihr Einsatz nach einer Hornhauttransplantation überlegenswert, da sie eine seröse Überbrückung der Übergangsstelle von Spenderhornhaut und eigener Hornhaut gewährleistet. Auch ist die Sauerstoffversorgung mit der ROSE K2 XL deutlich besser im Vergleich zu Semiskleral-Kontaktlinsen oder gar Skeral-Kontaktlinsen. Die ROSE K2 XL zeigt gegenüber diesen Kontaktlinsen eine deutlich bessere Beweglichkeit und ermöglicht dadurch einen besseren Tränenaustausch und in Folge eine höhere Sauerstoffversorgung. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang die Verwendung des Menicon Z Materials, welches mit einem Dk-Wert von 163 zu den hypersauerstoffdurchlässigen Materialien gehört.

Das Absetzen einer ROSE K2 XL vom Auge gestaltet sich etwas schwieriger als bei herkömmlichen Linsengrößen. Wie sollte die XL Variante am besten vom Auge abgenommen werden?

In meinen Workshops empfehle ich immer die Verwendung eines Saugers. Die Technik ist den Kontaktlinsenträgern auch einfacher beizubringen. Der Sauger muss eine Vollgummivariante sein und zudem vor dem Aufsetzen mit einer adäquaten Lösung angefeuchtet werden.

Paul Rose InterviewPaul Rose: „Die richtige Technik mit dem Sauger ist beim Absetzen der ROSE K2 XL Kontaktlinsen von wesentlicher Bedeutung“

Wichtig ist, dass der Sauger unter keinen Umständen auf den zentralen Teil der Kontaktlinse aufgesetzt werden darf. Er muss peripher aufgesetzt werden. Die Kontaktlinse darf nicht abgehoben werden, sondern muss gekippt werden, damit die einströmende Luft die Adhäsion der Kontaktlinse aufhebt. Ich selbst bevorzuge übrigens ein Aufsetzen des Saugers auf der temporalen Seite der Kontaktlinse, da ich so den Kontaktlinsenträger in seiner Handhabung besser beobachten kann.

Es gibt Fälle, wo der Anpasser im Zuge der ersten Nachkontrolle beim Keratokonus Kontaktlinsenträger in der Überrefraktion einen Astigmatismus vorfindet, welcher im ursprünglichen Anpassvorgang zunächst nicht vorlag. Wie geht man mit so einer Situation um?

Nun, das Erste was zu tun ist, wäre eine Topografie über die Kontaktlinse am Auge. Zeigt die Topografie einen Astigmatismus, so ist die Kontaktlinse wohl aufgrund des Keratokonus verzogen. Dazu gibt es differente Lösungsansätze. Einerseits kann ganz einfach mit einer Verringerung des Dk-Wertes die Festigkeit der Kontaktlinse erhöht werden. Eine weitere Möglichkeit stellt die Fertigung einer randtorischen Variante – zumeist in der waagrechen Peripherie flacher und in der vertikalen Peripherie steiler – dar. Je besser die Kontaktlinse an den Astigmatismus der Cornea angepasst ist, desto weniger wird sie sich verformen.

Zeigt die Topografie mit aufgesetzter Kontaktlinse hingegen keinen Astigmatismus, so sollte der in der Überrefraktion gemessene Astigmatismus auf der Rückseite der Kontaktlinse implementiert werden.

Nicht jeder Kontaktlinsenanpasser verfügt über einen großen Erfahrungsschatz bei der Anpassung von Keratokonus Kontaktlinsen. Welchen Ratschlag geben Sie den Anpassern, welche sich dem Thema nähern wollen – was ist der beste Weg um seine ersten Keratokonus Kontaktlinsenanpassungen zu meistern?

Das Wichtigste ist zunächst die Resultate einer Topografie zu verstehen. Ich empfehle jungen Anpassern zunächst Experte in der Interpretation von Topografien zu werden. So ist es wesentlich den Unterschied zwischen einem nippelförmigen und einem ovalen Keratokonus in der Topografie zu erkennen. Basierend auf diesem Erkennen kann man die für diese Person am besten geeignetste Kontaktlinse auswählen. Des Weiteren sollte die Position des Keratokonus richtig bewertet werden. Diese Vorgangsweise führt dazu, dass man den eigentlichen Anpassvorgang analytisch angeht und ihn besser versteht.

Interview mit Paul RosePaul Rose: „Zum Beginn seines Berufslebens sollte der Kontaktlinsenanpasser ein Experte für Topografien werden“

Prinzipiell empfehle ich zunächst mit einem cornealen ROSE K Design zu beginnen. Ausnahmen stellen wie bereits erwähnt eine pellucide, marginale Degeneration (PMD) und eine Hornhauttransplantation dar. In solchen Fällen würde ich gleich die Nutzung einer ROSE K2 XL empfehlen. In weiterer Folge geht man nach dem bekannten fünfstufigen Anpassverfahren vor. Dazu empfehle ich das Selbststudium der Anpassvideos, welche zur Anpassung von ROSE K Kontaktlinsen für Kontaktlinsenanpasser verfügbar sind.

=> Link zu ROSE K Schulungen

Verraten Sie uns an welchen Weiterentwicklungen von ROSE K Kontaktlinsen Sie derzeit arbeiten?

Ein wenig kann ich verraten – wir arbeiten derzeit am Design einer speziellen Hybridkontaktlinse, welche auch bei Keratokonus von den Vorteilen der formstabilen und weichen Kontaktlinsen gleichermaßen profitiert.

Zum Interview mit Paul Rose

Das Interview mit Paul Rose fand am 25. Oktober 2017 auf einem Dachrestaurant in Wien statt. Von dort aus hat man eine gute Aussicht über die Stadt – passend zu den von Paul Rose vermittelnden Aussichten in der Anpassung von Kontaktlinsen bei einem Keratokonus.

Paul Rose wurde für seine Arbeit mit internationalen Preisen geehrt, wie zum Beispiel dem Award der European Federation of the Contact Lens and IOL Industries (EFCLIN), der British Contact Lens Association (BCLA) und demnächst von mit dem Neuseeländischen Verdienstorden (New Zealand Order of Merit).

ROSE K Kontaktlinsen werden in 22 Ländern der Welt in Lizenz hergestellt und in derzeit 92 Ländern der Erde bei irregulären Corneae angepasst. Sie zählt zu den am meisten angepassten Keratokonus Kontaktlinsen der Welt.

Fotos: © Mag. Bernhard Steiner / optikum

Literaturquellen

[1] Gokhale, N. (2013). Epidemiology of keratoconus. Indian Journal of Ophthalmology, 61(8), p.382.

[2] Grünauer-Kloevekorn, C. (2006). Keratoconus: epidemiology, risk factors and diagnosis, Klinische Monatsblätter der Augenheilkunde, 223(6), p.493.

[3] Kohlhaas, M. (2017). [online] Available at: http://augen.uniklinikum-dresden.de/pdf_dateien/vortraege/Behandlung_des_Keratokonus.pdf [Accessed 28 Oct. 2017].

[4] Ruckhofer, U. (2017). Universitätsaugenklinik Salzburg | Augenerkrankungen : Keratokonus. [online] Augenklinik-salzburg.at. Available at: http://www.augenklinik-salzburg.at/patienten/augenerkrankungen/keratokonus.htm [Accessed 28 Oct. 2017].

[5] Destatis.de. (2017). Staat & Gesellschaft – Bevölkerung – Statistisches Bundesamt (Destatis). [online] Available at: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerung.html [Accessed 28 Oct. 2017].

[6] AUSTRIA, S. (2017). Bevölkerung. [online] Statistik.at. Available at: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/index.html [Accessed 28 Oct. 2017].