Neu im Thieme Verlag: Unwünschte Arzneimittelwirkungen in der Augenheilkunde

Vor zehn Jahren erschien im Thieme Verlag das erste Buch in deutscher Sprache, dass sich ausschliesslich mit unwünschten Arzneimittelwirkungen am Auge beschäftigte. Nun ist von den Autoren Torsten Schlote und Ulrich Kellner eine umfassend überarbeitete Neuauflage zu diesem Thema erschienen. Das Buch „Unerwünschte Arzneimittelwirkungen in der Augenheilkunde“ umfasst 17 Kapitel, welche systematisch auf mögliche, bekannte Nebenwirkungen an den unterschiedlichen Augenstrukturen eingehen.

In der Einleitung findet der Leser Grundlagen zum Thema. So ist unter anderem gut bekannt, dass nur etwa 5% der am Auge topisch applizierten Substanzen in das Augeninne vordringen, während die restlichen 95% unter anderem in die Bindehaut und an die Schleimhaut des Nasen-Rachen-Raumes gelangen. Im 2. Kapitel werden unerwünschte Nebenwirkungen an den Lidern erörtert. So können Wirkstoffe zu Nebenwirkung wie Pigmentierungen, Depigmentierungen und Ablagerungen an den Lidern führen. Die Autoren berichten unter anderem über die Sinnhaftigkeit der prophylaktischen Vermeidung dieser unerwünschten Veränderungen mittels einem Abtupfen der Lider nach der Applikation topischer Prostaglandinanaloga im Zuge der Glaukomtherapie. Das 3. Kapitel befasst sich mit Nebenwirkungen an der Bindehaut, wie zum Beispiel einer arzneimittelbedingten Sicca-Symptomatik. Die Autoren berichten über Unterschiede bei der Verwendung von Augeninnendruck senkenden Präparaten mit oder ohne Konservierungsstoffen. Dazu passend schliesst das 4. Kapitel mit dem Tränenapparat an. Das 5. Kapitel ist der Lederhaut gewidmet und berichtet unter anderem über das erhöhte Risiko einer Skleritis oder Episkleritis bei Therapien mit Bisphosphonaten, welche häufig zur Behandlung einer Osteoporose als Osteolysehemmer oder zur Behandlung eines durch einen Tumor hervorgerufenen Kalziumüberschusses eingesetzt werden.

Im umfassenden 6. Kapitel werden unerwünschte Arzneimittelwirkungen an der Hornhaut geschildert. Besprochen werden eine Herabsetzung der Hornhautsensibilität, Pigmentierngen und Ablagerungen, Hornhautdegenerationen, Hornhautdickenänderungen und Keratiden. Arzneimittel welche eine Katarakt begünstigen können stehen im Mittelpunkt des 7. Kapitels.

Augeninnendruck steigernde Präparate

Dem Fachpersonal bekannt ist, dass manche systematisch oder lokal applizierte Medikamente den Augeninnendruck steigern können. Das 8. Kapitel befasst sich mit den dazugehörigen Pathomechanismen und den daraus entstehenden unterschiedlichen Glaukomarten. Die Autoren beschreiben unter anderem eine sichere medikamentöse Pupillenerweiterung und berichten über mögliche Zusammenhänge zwischen Psychopharmaka und einem Winkelblockglaukom. Der Uvea ist das 9. Kapitel gewidmet. So wird darauf hingewiesen, dass prinzipiell sogar alle Impfstoffe eine Uveitis auslösen können, wenngleich auch das Risiko extrem klein ist. Wesentlich grösser hingegen ist das Risiko zu einer Uveitis bei Therapien mit den bereits erwähnten Bisphosphonaten.

Lichtwahrnehmungen bei der Behandlung mit Digitalis

Kapitel 10 widmet sich der Netzhaut. So stellen die in der Therapie von Autoimmunerkrankungen verwendeten Arzneimittelwirkstoffe Chloroquin und Hydroxychloroquin eine mögliche Ursache für toxisch bedingte Netzhautveränderungen dar. Aufgrund des geringeren Risikopotentials von Hydroxychloroquin gegenüber Chloroquin wird ersterem in den meisten Behandlungen den Vorzug gegeben. Desweiteren werden in diesem Kapitel unter anderem auch durch Arzneimittel ausgelöste Farbsinnstörungen und Lichtwahrnehmungen (Phosphene), wie sie zum Beispiel bei der Therapie mit Digitalis (bei einer Herzinsuffizienz oder bei Herzrhythmusstörungen) auftreten können, beschrieben.

Sidenafil im Zusammenhang mit einem Risiko zu einer anterioren ischämischen Optikusneuropathie

Unerwünschte Wirkungen von Medikamenten an der Sehbahn und im Gehirn sind im 11. Kapitel zusammengefasst. So kann der Wirkstoff Sildenafil – unter dem Markennamen Viagra bekannt – eine anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION) auslösen. Personen, die bereits an einem Auge ein AION erlitten haben, sollte man den Verzicht auf den Wirkstoff nahelegen. Das 12. Kapitel geht auf medikamentös ausgelöste Augenmuskellähmungen ein. So können Botulinuminjektionen Diplopien und eine Ptosis auslösen. Entsprechend des Wirkungszeitraumes von Botulinum sind diese Nebenwirkungen in der Regel nach etwa drei Monaten reversibel. Groß ist die Liste von Arzneistoffen, die eine Myasthenie verschlechtern oder sogar auslösen können. Sogar Nikotinpflaster sind in dieser Auflistung zu finden. Ein durch Wirkstoffe ausgelöster Nystagmus ist wiederum oft ein frühes Anzeichen einer toxischen Reaktion. Die Auslöser für diese Nystagmus auslösenden Intoxikationen reichen von Antibiotika, Antiepileptika, Alkohol, Nikotin bis hin zu Opiaten. Im 13. Kapitel werden medikamentöse Nebenwirkungen in der Orbita wie Exopthalmus, Enopthalmus, Entzündungen, orbitales Kompartmentsyndrom, allergische Reaktionen und Blutungen angeführt.

Einfluss von Arzneimittel und Krankheiten auf Refraktion, Akkommodation und Pupillenaktion

Im 14. Kapitel werden Wirkstoffe die Pupille, Refraktion und Akkommodation beeinflussen angeführt. Im allgemeinen gut bekannt ist, dass der Diabetes mellitus die häufigste Ursache einer vorübergehenden Refraktionsschwankung darstellt. Es wurden Myopisierungen und Linsenastigmatismen von bis zu 9 Dioptrien beschrieben! Ebenso können aber schwere Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes, bei langanhaltendem Durchfall beziehungsweise Dehydratation, Gelbsucht, entzündlichen Nierenerkrankungen (Nephritis), Störungen des Säure- Basen-Haushaltes (Alkalose), Nierenschwäche (Urämie), Gelenkrheumatismus, Gehirnentzündung, Influenza und auch hohe Fieberschübe eine vorübergehende Myopisierung auslösen. Auch Myopisierungen in Folge bestimmter Augenerkrankungen oder Therapien mit einigen aufgelisteten Medikamenten werden ausführlich in diesem Zusammenhang besprochen.

Die beiden Kapitel 15 und 16 befassen sich mit unerwünschten systemischen Wirkungen von Ophthalmika und in der Augenbehandlung häufig eingesetzten Arzneimittel und Diagnostika. So berichten die Autoren unter anderem vom Fall einer anaphylaktischen Reaktion nach wiederholter Gabe von topischen Fluorescein bei einer Person mit einer Vorgeschichte von Asthma und anaphylaktischen Reaktionen auf eine ganze Reihe von Arzneimitteln. Sehr hilfreich sind die beiden letzten Kapitel 17 und 18, welche eine rasche Übersicht über medikamentös induzierte okuläre Nebenwirkungen und ein Medikamentenverzeichnis enthalten.

Fazit

Das neu erschienene Fachbuch "Unerwünschte Arzneimittelwirkungen in der Augenheilkunde" ist schon alleine wegen dem Kapitel der medikamentös und krankheitsbedingten Refraktions- und Akkommodationsänderungen für jeden Augenoptiker und Optometristen sehr empfehlenswert. Aber auch alle anderen medikamentösen Nebenwirkungen am Auge sind didaktisch sehr gut geschildert und machen das Buch zu einem Standard-Nachschlagewerk in der Bibliothek eines Augenoptikers oder Optometristen. Das 201 Seiten starke Buch kostet € 133,60 kann hier bequem online bestellt werden.