Prismenkorrektur und Sorgfaltspflichten

Ein Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt (4 U 19/06) hat wieder einmal bestätigt, dass die Auslegung von Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten nicht unendlich strapaziert werden kann. Außerdem wurde in dieser Entscheidung bestätigt, dass deutsche Augenoptiker Prismenbrillen ohne augenärztliche Zustimmung anpassen und abgeben dürfen. Das Gericht bestätigte in dieser Entscheidung, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Tragen von Prismengläsern und in der Folge eingetretenem Schielen bestehen würde.

Der diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt lautet wie folgt. Eine Optikerin passte einem etwa 10-jährigen Mädchen eine Brille samt Gläsern mit prismatischer Wirkung an. Die Mutter teilte der Optikerin mit, dass zuvor eine augenärztliche Untersuchung stattgefunden hat. Die Optikerin händigte der Mutter des Mädchens einen Aufsatz eines Mediziners über „Gestörtes beidäugiges Sehen und Schulversagen“ sowie ein Informationsblatt für Eltern der Internationalen Vereinigung für binokulare Vollkorrektion aus.

Das Gericht hat entschieden, dass die Optikerin dadurch, dass eine augenärztliche Untersuchung im Vorfeld sattgefunden hat, davon ausgehen konnte, dass keine krankhafte Sehstörung bei dem Mädchen vorliegt. Durch die Übergabe des Aufsatzes und des Informationsblattes kam sie ihren Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten hinreichend nach. Das Gericht stellte fest, dass die Optikerin keine weitere Aufklärung schuldete, insbesondere keine ärztliche Aufklärung. Der Verkauf von Prismengläser zum Gebrauch stellt somit keine Pflichtverletzung im Rahmen des augenoptischen Beratungsvertrages dar.

Das Mädchen litt in der Folge unter Beschwerden und wandte sich an eine Augenklinik. Dort wurde ihr eine Brille ohne Prismen verordnet. Das urteilsgegenständliche Sachverständigengutachten empfahl genau diese Vorgangsweise. Der Sachverständige wies in seiner Begründung zwar darauf hin, dass die Entwöhnungsphase grundsätzlich länger andauern kann, das Gehirn jedoch die Augenstellung allmählich wieder dem ursprünglichen Zustand anpasst und die Doppelbilder verschwinden. Man könne nicht von einem permanenten Schaden ausgehen. Er verneinte also einen „Optikerfehler“.

Die Mutter und ihre Tochter ließen sich nicht auf diesen längeren Anpassunsgprozess ein, sondern entschlossen sich zu einer Operation. Das bereits erwähnte Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Tragen von Prismengläsern und dem bei der Schülerin eingetretenen Schielen besteht. Das Gericht bestätigte diese Meinung, nämlich dass die Notwendigkeit der Operation durch das Tragen von Prismengläsern nicht erwiesen sei.

Selbstverständlich beruht diese Urteil auf deutschen Gesetzen und entfaltet somit keine unmittelbare Wirkung auf ähnlich gelagerte Fälle in Österreich. Die Rechtslage in Österreich ist jedoch ähnlich und nehmen die Gerichte Tendenzen des jeweils anderen Staates gerne auf. Die relevantesten Aspekte dieses Urteil sind, dass die vertraglichen Schutz- und Aufklärungspflichten nicht überzogen interpretiert werden und im Anlassfall klar gestellt wurde, dass Primengläser und Schielen in keinem kausalen Verhältnis stehen.

Mag. Barbara Belyus

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