Schon wieder eine neue Presbyopie-Linse…!

Es gibt schon einige Presbyopie-Linsen auf dem Markt. Viele wurden (und werden) mit grossem Aufwand beworben, zum Teil mit eher unrealistischen Versprechen. Ich möchte im folgenden versuchen, nach einem Überblick der grundsätzlichen Möglichkeiten die Überlegungen während der Entwicklung einer neuen Mehrstärkenlinse aufzuzeigen – und am Schluss natürlich das Ergebnis zu erklären.

Ein Artikel von Patrick Luginbühl,
Galifa Contactlinsen AG

Ich konzentriere mich dabei auf die "technische"
Seite. Wir dürfen allerdings die psychologische Komponente nicht
unterschätzen. Die wichtigsten allgemeinen Grundsätze deshalb gleich
hier am Anfang:

  • Benutzen Sie nie ein System, von welchem Sie nicht selbst
    überzeugt sind!
  • Vollkorrektur der Ferne in Richtung PLUS ist bei allen Systemen
    Voraussetzung. Eine "Kompensation" mit höherer Addition
    funktioniert selten.
  • Befragen Sie den Kunden zuerst eingehend nach Wünschen und
    Erwartungen. Brechen Sie bei Kunden mit unrealistischen Erwartungen,
    sehr nervösen oder skeptischen Leuten usw. vor dem Einsetzen
    der ersten Linse ab. Alle Statistiken gehen davon aus, dass
    nur "günstige Fälle" ausgerüstet werden.

Möglichkeiten
Grundsätzlich gibt es vier Möglichkeiten zur Korrektur
der Presbyopie mit Kontaktlinsen. Jede hat spezifische Vor- und
Nachteile, welche wir im folgenden beleuchten möchten.

1. Linsen und Brille
Meist Linsen für die Ferne mit Lesebrille darüber –
natürlich ist auch der umgekehrte Weg denkbar. Dies ist der
"einfachste" Weg, wird aber von vielen Linsenträgern
nicht besonders geschätzt (jetzt wird man dank der Linsen endlich
die Brille los – und nun soll man wieder eine Nahbrille tragen!)

2. Monovision
Mit klassischen Einstärkenlinsen wird das dominante Auge für
die Ferne und das andere Auge für die Nähe ausgerüstet.
Diese Methode wurde in den USA im grossen Stil praktiziert und wurde
bei uns zuerst skeptisch betrachtet. In der Heimat des Polatestes
war es suspekt, das Binokularsehen so krass zu "malträtieren".
Ich möchte zu diesem Thema keine Grundsatzdiskussion anreissen,
aber festhalten dass viele Linsenträger ein höchstens
durchschnittliches Binokularsehen aufweisen und mit Monovision –
zumindest bei kleinen Additionen – oft erstaunlich gut zurechtkommen.
Anstelle einer genauen Messung hat sich folgendes Vorgehen bewährt:
Dem Kunden vorderhand nicht erklären was geschieht sondern
eine Linse für die Ferne aufs Führungsauge und eine Linse
für die Nähe auf das andere Auge einsetzen. Nun lassen
wir den Projektor angeschaltet und geben dem Kunden ohne Instruktion
eine Leseprobe in die Hand. Nun beobachten wir sein Verhalten: beginnt
der Kunde von selbst die Sehschärfe R/L zu vergleichen und
hat das Gefühl die Sicht wäre "komisch" können
wir die Linsen wieder rausnehmen: das wird vermutlich nicht klappen.
Hat der Kunde das Gefühl, er würde sowohl in de Ferne
wie auch in die Nähe recht gut sehen erklären wir ihm,
wie das Ganze funktioniert und haben gute Aussichten auf Erfolg.
Wie bei allen Systemen zur Korrektur funktioniert Monovision
nur, wenn Sie selbst als Anpasser daran glauben.
Wenn Sie
überzeugt sind, dass der Mensch mit zwei nach vorne gerichteten
Augen zur Welt gekommen ist um bis zu seinem Tod mit einem perfekten
Stereosehen die Tiefe abschätzen zu können – lassen
Sie die Finger davon.
Interessanterweise hat die Monovision hierzulande eine zunehmende
Akzeptanz gefunden, da viele Hersteller von Multifokallinsen eine
"modifizierte Monovision" emfehlen. Was damit gemeint
ist, sehen Sie weiter unten.

3. Alternierend
Hier schaut der Träger entweder durch den Fernteil oder durch den
Nahteil der Linse. Die Linse verhält sich also ähnlich wie ein Bifokal-Brillenglas.
Dazu muss sie sich verschieben: aus diesem Grund kommen dafür nur
stabile, beweglich sitzende Kontaktlinsen in Frage.

Pro Kontra
Guter Kontrast Blickwinkelabhängig
Nachvollziehbare Anpassung Zwischendistanz
Linsenkosten (nur stabile Linsen)

3.1 Tangent Streak
Tangent Streak

Die verbreitetste Form weist oben die Ferne und unten die
Nähe auf. Die Linse wird mit einem Prisma stabilisiert. Ein Bildsprung
kann vermieden werden.

3.2 Konzentrisch
konzentrisch
Hier wird das Prisma vermieden und grundsätzlich wäre
auch eine Zwischendistanz machbar. Allerdings tritt systembedingt
ein Bildsprung auf.

4. Simultan
simultan
(Mögliche Aufteilung – andere Varianten sind möglich)
Hier schaut der Träger gleichzeitig durch Fern- und Nahteil
der Linsen, d.h. es entstehen gleichzeitig mehrere Bilder im Auge
und das Gehirn muss sich das schärfste Bild raussuchen. Dazu
sollte die Linse möglichst "unbeweglich" und gut
zentriert vor der Pupille sitzen; grundsätzlich wäre das
mit stabilen und weichen Linsen zu erreichen, in der Praxis kommen
fast immer weiche Kontaktlinsen zum Einsatz.
Durch die Überblendung der verschiedenen Bilder wird der Kontrast
bei allen Verfahren spürbar reduziert. Da für den Kunden
"Visus" und "Kontrast" synonym sind, ist ein
brauchbarer Kontrast für eine erfolgreiche Anpassung von grosser
Bedeutung.

Pro Kontra
Einfache Anpassung??? Kontrast!!!
Blickwinkelunabhängig Dezentrierung und Bewegung
Viele Arbeitsdistanzen Meist nur sphärische Ausführung
Werbung

Modifizierte Monovision
Bei Simultansicht-Linsen wird oft eine "modifizierte
Monovision" empfohlen. Dabei wird das Führungsauge mit einer
normalen Linse ausgerüstet (d.h. Fernkorrektur mit gewünschter Addition),
das andere Auge mit entweder in Richtung Plus überkorrigierter Ferne
oder mit höherer Addition. Dies ist meist keine Lösung der ersten
Wahl, kann aber das Endergebnis deutlich verbessern. Die subj. Auswirkungen
sind nicht ganz so stark wie bei der reinen Monovision, das der
Unterschied (d.h. die Uebererkorrektion eines Auges) nicht so stark
ausfällt.

4.1 Progressiv
progressiv

Dies dürfte das verbreitetste Design sein. Obwohl
es tönt wie ein Gleitsichtglas (welches "alternerend"
funktioniert) ist es eine simultane Angelegenheit. Dieses Design
deckt alle Arbeitsdistanzen ab. Bei Dezentrierung treten starke
Abbildungsfehler auf, der Kontrast ist meist recht deutlich reduziert.
Bei vielen Designs sind die Grösse des Nahbereiches von der
Addition abhängig. Dies kann sinnvoll sein, da ältere
Leute mit höheren Additionen meist eine kleinere Pupille aufweisen.
Die erklärt aber auch, warum bei ungenügender Sehschärfe
in die Nähe einen höhere Addition nichts bringt: mehr
"Plus" auf kleinerem Gebiet mindert hauptsächlich
den Kontrast…

4.2 Aplanatisch
aplanatisch

Grafik oben "normale Linse", sph. Aberration
ca 1.5Dpt; Grafik unten aplanatische Linse

Bei diesen Linsen wird die sphärische Aberration
des Auges ausgeglichen. Die beträgt bei durchschnittlicher
Pupillengrösse ca 1.5dpt. Linsen nach diesem Muster haben demnach
keine Addition (sie gleichen nur einen Abbildungsfehler aus). Dieses
Design ist allerdings nur für Jungpresbyope interessant, da
mit zunehmender Presbyopie auch der Durchmesser der Pupille abnimmt
und somit die "Addition" der Linse auf knapp eine Dioptrie
schrumpft.

4.2 Focus progressives (ehem. "Continua")
progressives

Hier wird im Zentrum eine überstarke (fixe)
Addition von fast 5dpt angebracht. Die Annahme dabei ist, dass das
ältere Auge einen kleinere Pupille aufweist und daher im Verhältnis
mehr "Addition" hat. Dezentrierung führt zu grossen
Abbildungsfehlern, die fixe "Addition" häufig zu
einer modifizieren Monovision.

4.3 Mehrstärken
mehrstärken

Eigentlich ein "einfaches‘ Design" reagiert allerdings
optisch sehr gutmütig auf Dezentrationen und der Kontrast sinkt
wegen weniger Zonen nicht so stark wie bei den "progresiven"
Flächen.

4.4 Acuvue Bifocal
bifocal
Die verteilten Nah- und Fernzonen machen diese Linse etwas unabhängiger
von der Pupillengrösse.

4.5 Diffraktiv
diffraktiv
Mit Hilfe von eingravierten "Kreisen" wird das Licht gebeugt.
Dabei entstehen zwei deutliche Maxima – und relativ viel Streulicht.
Der Effekt ist technisch elegant (und unabhängig von der Pupillengrösse),
aber "dank" des Streulichtes ein Problem bei Gegenlicht
(z.B. Autofahren bei Nacht ist mit diesen Typen problematischer
als mit den anderen Designs)

4.6 Doppelbrechung
Diese neue Methode beruht auf einer doppelbrechenden Folie. Der
Effekt ist ähnlich wie bei der diffraktiven Linse (d.h. Aufteilung
Ferne/Nähe bleibt unabhängig von der Pupillengrösse),
der Streulichtanteil ist jedoch viel geringer.
Da sich die Folie zur Zeit nur in stabile Linsen einbauen lässt
ist diese Variante noch nicht sehr verbreitet.

Gesucht…
OK, versuchen wir aus diesen bekannten Eigenschaften einige Forderungen
abzuleiten:

  • Das Verhältnis Ferne/Nähe sollte dem
    Träger abgestimmt werden können

    Viele existierende Produkte haben eine fixe (resp. von der Add.
    abhängige) Nahzone. Dies entspricht nicht unbedingt dem Verhältnis
    von Anwendungsgebiet, Pupillendurchmesser und Vorderkammertiefe
    eines jeden Linsenträgers. Nur mit einer variablen Aufteilung
    Ferne/Nähe kann den unterschiedlichen Anforderungen Rechnung
    getragen werden – sonst bleibt meist nur die "modifizierte
    Monovision"
  • Eine gewisse Dezentration sollte sich nicht allzu
    stark auf die Sehschärfe auswirken

    besonders "progressive" Vorderflächen reduzieren
    den Kontrast bei schon kleinen Dezentrationen recht stark.
  • Die Linse muss auch torisch hergestellt werden
    können

    Die meisten Linsen sind nur sphärisch erhältlich. Statistisch
    gesehen hat die Hälfte der Bevölkerung einen Cylinder
    von 0.75 oder höher. Wird er nicht korrigiert, sinkt der
    Kontrast nochmals deutlich ab…
  • Das Produkt muss flexibel sein
    Alle Parameter müssen änderbar sein – nur so lässt
    sich auch ein etwas "aussergewöhnlicher" Fall gut
    versorgen

…und natürlich soll das ganze soll auch noch einfach
und billig sein…

…gefunden: Vario
Von den Anpassern wurde deutlich häufiger eine weiche
Kontaktlinsen gewünscht. Daher haben wir die Versuche auf weiche
Linsen konzentriert, was zu einem Simultansicht-Design führte.

Vario
Geometrie der Galifa Vario

Die Linse ist eine Simultane Mehrstärkenlinse mit 3 optisch
wirksamen Zonen. Im Zentrum die Nähe, daran anschliessend die
Zwischendistanz, aussen die Fernzone. Die Zonen sind mit einem speziellen
asphärischen Uebergang verblendet. Als Besonderheit kann die
Grösse der Nahzone (=Nähe und Zwischendistanz zusammen)
frei gewählt werden. Das Verhältnis von Nah- zu Zwischendistanz
wurde nach langen Testreihen auf fix 80/20 festgelegt. Dieses Design
ergibt bei Dezentrationen nur kleine Abbildungsfehler. Natürlich
wird auch hier der Kontrast reduziert – aber weniger als bei den
anderen Systemen. UND: Der Kontrast kann mit Hilfe des Nahzonendurchmessers
gezielt verändert werden.

Material
Vom Material her wurde von Anfang weg auf die Benz-G Familie gesetzt.
Während jedes Material beim Tragen ca. 15% Wasser verliert,
sind es bei den Benz-G Materialien um die 4%. Dies ist natürlich
auch für trockene Augen gut (so die Werbung von Benz), aber
für Presbyopielinsen ist die daraus resultierende Parameterstabilität
viel wichtiger.

Die Graphik zeigt die Parameter einer Linse mit
8.6mm und zwei Materialien mit 58% Wassergehalt (nicht ionisch)
nach einer halben Stunde auf dem Auge. Es ist offensichtlich, dass
Linsen aus den Benz-G Materialien viel besser einschätzbare
Ergebnisse liefern als herkömmliche Materialien; die Parameter
verändern sich fast nicht. Aus diesem Grund müssen Linsen
aus Benz-G Materialien mit deutlich kleineren Radien angepasst werden
als herkömmliche Materialien: die Radien versteilen sich viel
weniger während dem Tragen.


Galifa verwendet für die Benz-G Materialien die Bezeichnung
‚BALANCE‘ (=Benz-G 5X) und VIVO (=Benz-G 3X).

Anpassung
Durch die variable Nahzone läuft die Anpassung wie folgt ab.

Sitz
Hier gelten dieselben Regeln wie für alle Anpassungen: Die
Linse muss möglichst gut zentrieren und sich immer bewegen.
Die Radien müssen aufgrund des Materials kleiner gewählt
werden als bei anderen Produkten: eine Balance (Benz-G 5X) mit Basiskurve
8.2 sitzt nach 30 Minuten meist beweglicher als eine Linse mit derselben
Geometrie in einem herkömmlichen Material in Basiskurve 8.8!

Stärke
Ferne: Brillenkorrektur in HSA 0.0. Wie bei allen Presbyopie-Systemen
ist auf eine Vollkorrektur in Richtung Plus zu achten. Ab einem
Cylinder von ca 0.75dpt sollte eine torische Linse gewählt
werden. So wird der Kontrast deutlich besser als mit dem Restastigmatismus.
Die Vario ist mit prismatischer und dynamischer Stabilisation erhältlich.
Die Addition sollte ungefähr wie in der Brille (ggf. leicht
höher) gewählt werden.

Vorgehen
Eine Linse mit mittlerer Nahzonengrösse wird eingesetzt. Je
nach Pupillendurchmesser hat sich als ‚Einstieg‘ ein Wert zwischen
2.3 und 2.5mm bewährt. Überprüfen der Sehschärfe
Ferne und Nähe:
– Wenn die Ferne gut und die Nähe problematisch: Nahzone vergrössern
– Wenn Nähe gut und Ferne problematisch: Nahzone verkleinern
Wenn so eine gute Sehschärfe Ferne+Nähe erreicht wird
ist die richtige Linse gefunden. Sonst kann eine "modifizierte,
modifizierte Monovision" angestrebt werden:

"Modifizierte, modifizierte Monovision"
(kein offizieller Ausdruck!)

Bei dieser Variante sehen beide Augen gleichzeitig auf dieselben
Distanzen scharf – insofern ist der Begriff "Monovision"
nicht korrekt. Idee: es wird auf das Führungsauge eine etwas
kleinere Nahzone (=Präferenz Ferne) und auf dem anderen Auge
eine etwas grössere Nahzone (Präferenz Nähe) verwendet.
Dadurch haben wir R/L lediglich unterschiedliche Kontrastverhältnisse
– eine sehr elegante Form der "modifizierten Monovision",
da immer noch auf alle Distanzen Binokular beobachtet wird. Diese
spezielle Form der "modifizierten Monovision" ist z.Z.
nur mit der Vario möglich.
Das Führungsauge bestimmen wir mit den üblichen Methode,
z.B. nach dem Binokular-Abgleich (beide Augen offen) vor jedes Auge
kurz ein +0.25 (oder +0.50 bei unkritischen Beobachtern) vorhalten:
das Führungsauge ist mit grösster Sicherheit dasjenige,
wo dies subjektiv stärker stört.

Zusammenfassung
Die Vario ist innovativ – aber das sind andere auch. Wirklich speziell
sind neben dem geringeren Kontrastverlust folgende Punkte:

  • Variable Nahzone: optimale Anpassung
    auch bei ungewöhnlichen Fällen
  • Sphärisch und torisch (prismatisch
    und dynamisch)
  • Alle Parameter (Radien, Durchmesser,
    Stärken) ohne Aufpreis möglich
  • Hervorragendes Material: wenig Austrocknung=stabile
    Parameter

Zusammen mit einer richtigen
Anamnese (auch hier müssen ungünstige Fälle frühzeitig
ausgeschieden werden) lassen sich mit diesen Möglichkeiten
deutlich mehr Linsenträger gut ausrüsten als bei herkömmlichen
Produkten.

Die Vario ist in der Schweiz und einigen europäischen
Ländern zum Patent angemeldet. Sie ist erhältlich bei
Galifa. Die Galifa Contactlinsen AG unterstützt Kontaktlinsenspezialisten.
Für weitere Informationen und ausführliche Beratungen
kontaktieren Sie uns info@galifa.ch
– wir beraten Sie gerne.

Autor dieses Artikels: Patrick Luginbühl,
Galifa Contactlinsen AG

GALIFA Contactlinsen AG
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CH-9014 St. Gallen

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