SICHT.KONTAKTE 2017

Als „Das lange Wochenende der Optometrie und Kontaktoptik“ startete die SICHT.KONTAKTE 2017 in einen interessanten Fortbildungsreigen. Da wo sich die VDCO, IVBS und ZVA zusammen tun und einen Kongress organisieren, kann es ja eigentlich nur gut werden. Etwa 400 Teilnehmer verfolgten hochkarätige Vorträge und Workshops, wobei die Schwierigkeit in der Entscheidung lag welchen Teil man nicht sehen konnte. Durch die Vielzahl an Vorträgen und Workshops bestand für jeden interessierten Teilnehmer die Möglichkeit Neues aus den verschiedenen Richtungen der Optometrie und Kontaktlinsenoptik zu erfahren. Wenn noch etwas Zeit übrig war, konnte man die überwältigende Aussicht vom 23. Stock auf Hamburg genießen.

Presbyopie und Kontaktlinsen

Dipl.-Ing. Stefan Schwarz referierte über die Kreativität bei der Mehrstärken-Kontaktlinsen-Anpassung. Er bot unter anderem einen Überblick über die verschiedenen formstabilen Kontaktlinsen-Systeme.

Stefan Schwarz

„Wichtig ist bei der Ansprache gegenüber dem Probanden, so wenig Technologie wie möglich und auch möglichst keine Fremdwörter zu benutzen“ erklärte Schwarz. Ebenso muss der Proband verstanden haben, dass die Anpassung einer Mehrstärken-Linse keinen einmaligen Kaufvorgang, sondern einen Prozess darstellt. Wenn es bereits aufgrund der Anamnese unwahrscheinlich ist, dass die Anpassung zum Erfolg führt, so muss dies dem Kunden auch rechtzeitig mitgeteilt werden.

Forderung nach flächendeckender Myopiekontrolle

Pascal Blaser von Swisslens gab in seinem Bericht eine Übersicht über den Stand in der Myopiekontrolle.

Pascal Blaser

Blaser stellte fest, dass höhere schulische Anforderungen an die Kinder im Zusammenhang mit einer höhergradigen Myopie stehen. Wobei nicht die Kurzsichtigkeit per se das Problem ist, sondern dass starke Myopien das Risiko von Pathologien wie Netzhautablösungen oder Makulopathien ansteigen lassen. Ab -5,00 dpt besteht ein 21-fach erhöhtes Risiko auf Netzhautablösung und ein 40-fach höheres Risiko auf Makulopathien. „Deshalb sollte bei allen Kindern eine regelmäßige Myopiekontrolle durchgeführt werden“, so der Referent.

Dr Gonzo baut bei ängstlichen Kindern Vertrauen auf

Zum Thema Kinderoptometrie konnte Stefan Lahme, MSc in seinem Workshop viele Tipps und Hilfestellungen im Umgang mit Kindern geben.

Stefan Lahme

So sollten Kinder bewusst als Erste vor den Eltern begrüßt werden, um die Wichtigkeit des jungen Klientels hervorzuheben. Lahme hat eine gelbe und rote Karte auf seinen Platz um übereifrige Eltern im Zaum zu halten. Ebenso hat er für tendenziell ängstliche Kinder einen netten Assistenten – seine Handpuppe „Dr Gonzo“.

Fit for toric

Im Workshop von Dirk Seidel standen torische formstabile Kontaktlinsen im Fokus. Der Referent ging auch auf Grundlagen und Zusammenhänge von Gesamtastigmatismen, Hornhautastigmatismen und induzierter Astigmatismen ein.

Dirk Seidel

Ebenso empfahl er größere Linsendurchmesser zu priorisieren, da sie ein mögliches Fremdkörpergefühl reduzieren. „Dies wäre vor allem bei Neuanpassungen ein Thema“, so Seidel „und auch beim Umsteigen von weichen auf formstabile Kontaktlinsen“.

Kampf der Myopieprogression

Unterschiedliche Strategien zur Myopiekontrolle bei Kindern betrachtete Daniel Eckstein, BSc in seinem Workshop. Tageslicht von mindestens einer Stunde täglich, besser 20 Stunden pro Woche, nicht mehr als zwei Stunden Naharbeit pro Tag und ausgewogene Ernährung – konkret mehr Vitamine und weniger Zucker – könnten nicht nur die Progression einer Kurzsichtigkeit verringern, sondern auch den gesamten Körperbau und Bewegungsapparat der Kinder verbessern. Bei den optischen Methoden sind am effektivsten Ortho-K Kontaktlinsen und Bifokalkontaktlinsen mit Zentrum Ferne, zur Reduzierung der Myopieprogression geeignet.

Auch bei Mehrstärkenkontaktlinsen: Aufklärung ist der halbe Erfolg

Dipl. Ing. Markus Leonhard, MSc zeigte psychologische Ansätze in der Anpassung von Mehrstärken-Kontaktlinsen. Er empfahl den Anpassern zuerst dem Kunden die Grundlagen der Presbyopie zu erklären.

Markus Leonhard

„Die Flexibilität der Augenlinse geht verloren, das ist nicht wegtrainierbar und auch nicht behandelbar“, so Leonhard. Wenn der Klient wieder zur Kontrolle kommt, wäre es empfehlenswert mit einem Fragebogen seinen Zufriedenheitsstatus abzufragen. Der Referent empfahl zudem vorrangig in der Ferne den maximalen Pluswert – bzw. den minimalen Minuswert – zu verordnen, anstatt die Addition zu erhöhen. Änderungen der Werte sollten nur in kleinen Teilschritten erfolgen.

Gute Nacht Linsen

Warum sie am liebsten nur noch Orthokeratologiekontaktlinsen anpassen würden, erklärten Denisé von Klitzing und Maria Kollmorgen.

Denisé von Klitzing
Maria Kollmorgen

In ihren Anpassräumlichkeiten sind die „Gute Nacht Linsen“ deutlich sichtbar platziert. „Die Ortho-K Anpassung ist eine Dienstleistung, deshalb bleiben die Kontaktlinsen im Eigentum des Unternehmens“, so die Referentinnen. Bis die endgültige Korrektur erreicht ist, wird dem Kunden eine Leihbrille, für unter Tags, ausgehändigt.

Brillen funktionieren nur, wenn die Netzhaut intakt ist

Um die Auswertung und Dokumentation der Netzhautevaluierung ging es im Workshop von Dr Daniela Nosch.

Daniela Nosch

„Eine gewissenhafte Dokumentation ist unabdingbar, da eine Evaluierung mit der Aussage ‚o.B.’ ohne Belang ist“, so Nosch. Für die Fundusfotografie sprechen zwar prinzipiell der bessere Überblick, die Möglichkeit der Ausschnittvergrößerung und die einfache Dokumentation. Jedoch ist die Betrachtung des hinteren Augenabschnittes mit der 90D Linse und der Spaltlampe, zusätzlich zur direkten Ophtalmoskopie, die zu bevorzugende Variante.

Augenbewegungen bei Anwendung des Kreuztests

Prof. Christoph von Handorff und Luise Schmid, BSc stellten ihre Studie über die Augenbewegungsmessungen bei Anwendung des Kreuztests vor.

Christoph von Handorff und Luise Schmid

Mit einem Video-Eyetracker wurde erstmals die objektiv motorische Vergenzfehlstellung gemessen, während das individuelle Kreuztestprisma für einige Sekunden vor den Augen angeboten wurde.

Eyetracking und prismatische Korrektionen

Ebenfalls mit einem Eyetracking-System arbeitet Volkhard Schroth für den wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit prismatischer Korrektionen.

Volkhard Schroth

Er stellte fest, dass mehrwöchiges Tragen von Prismen die subjektive und objektive Fixationsdisparität reduziert, aber nicht auf Null bringt.

Refraktive Chirurgie und Binokularsehen

Prof. Dr Christian Meltendorf beschrieb in seinem Vortrag die Probleme der refraktiven Chirurgie und dem Binokularsehen.

Dr Christian Meltendorf

Wenn aufgrund technischer Probleme die Ablationszone dezentriert ist, führt dies in Folge vor allem bei vertikalen Dezentrationen zu bemerkbaren, prismatischen Effekten. Auch eine durch refraktive Chirurgie korrigierte Aniseikonie kann nicht immer kompensiert werden, und damit zu störenden Doppelbildern führen.

Binokularer Abgleich benötigt Refraktionisten

Refraktionsbestimmung – ist der Kreuzzylinder bald überflüssig? Prof. Dr Hans-Jürgen Grein zeigte in seinem Vortrag, dass die monokulare Refraktion von den Autorefraktometern schon sehr gut und reproduzierbar gemessen werden kann.

Prof Dr Hans-Jürgen Grein

Ebenso werden immer mehr Apps angeboten, mit denen am Smartphone unter bestimmten Bedingungen eine Refraktion gemacht werden kann. „Der binokulare Abgleich ist von den Geräten jedoch noch nicht erfassbar und muss weiterhin von einem Refraktionisten gemessen werden“, so der Referent.

Refraktionsänderungen in der täglichen Praxis

Dr Andreas Berke berichtete in seinem Vortrag über Refraktionsänderungen durch Medikamente. Die wichtigsten Stoffe hierbei sind Kalium, Natrium und Glukose.

Dr Andreas Berke

Ausgelöst durch Natrium- und Wassereinlagerungen in der Hornhaut und Linse verändern sich die Radien und Brechzahlen. Ödeme beeinflussen die Refraktion aufgrund von Entzündungsreaktionen am Zilliarkörper und im Bereich der Makula. Neuronale Mechanismen verändern die Funktion des Ziliarkörpers und das Zentralnervensystem.

Trockene Augen stören den Visus bei Brillen und Kontaktlinsen

Praxisnah empfahl Dr Heiko Pult die Tränenfilm-Analyse mit einem Fragebogen zu starten. Konkret ein Screening zu beginnen. Hierbei sind objektive Tests zur Evaluierung der Tränenfilm-Stabilität und die LIPCOF Methode anzuwenden. Dies würde mit minimalem Aufwand ein trockenes Auge aufdecken. „Die Klassifizierung des trockenen Auges wird mit weiteren Tests in Wassermangel oder erhöhte Verdunstung unterteilt und entsprechend versorgt“, so Pult.

Ruf nach besserer Aufklärung bei Betroffenen eines Glaukoms

Glaukomtherapie gestern, heute, morgen war Thema des Referats von Dr Christian Wolfram. „Die Senkung des Augeninnendrucks ist noch immer die einzige Therapiemöglichkeit“, so der Referent. Oftmals wird leider von den Betroffenen die Krankheit und deren Folgen nicht verstanden und somit auch die medikamentöse Therapie nicht eingehalten. Zukünftig wird es vielleicht eine Injektionstherapie geben, die nur alle drei bis sechs Monate wiederholt werden muss. Auf alle Fälle sollte das Wissen in der Bevölkerung über das Glaukom intensiviert werden.

Frühzeitige Erkennung vaskulärer Veränderungen am Augenhintergrund

Prof. Dr Ing. Konstantin Kotliar beschrieb in seinem Referat die retinale Gefäßanalyse zur Früherkennung vaskulärer Veränderungen. Viele Augen- und systemische Erkrankungen weisen bereits mikrovaskuläre Veränderungen auf, die mit Hilfe von Augenhintergrundbildern nachgewiesen werden können. Neben den statischen Bildern ist es möglich durch eine dynamische, retinale Gefäßanalyse auch noch feinere pathologische Veränderungen frühzeitig aufzuzeigen.

Netzhautgefäßveränderungen als Spiegel der Gefäßgesundheit

Im selben Themengebiet zeigte Dr Walthard Vilser die Netzhautgefäßveränderungen als Spiegel der Gefäßgesundheit. Mittels Gefäßanalyse und Berechnung mikrovaskulärer Biomarker kann ein sogenanntes Funktionsimaging erzeugt werden. Damit können Risikofaktoren und Auswirkungen der Therapie auf die Mikrogefäße bereits weit vor den vaskulären Erkrankungen erfasst werden.

Sichtkontakte Panorama

Aufgrund des umfangreichen Angebotes von Vorträgen und Workshops war es, wie eingangs erwähnt, nicht leicht einen individuellen „Fahrplan“ durch diese drei Tage zu erstellen. Einige Workshops waren zum Glück doppelt verfügbar, was einen Besuch der gewünschten Veranstaltungen erleichterte. 2018 werden die SICHT.KONTAKTE im Oktober in München stattfinden.

Susanne Nemetz, MScDie Autorin dieses Artikels, Susanne Nemetz, MSc
Augenoptikerin & Master of Science (Klinsche Optometrie/Clinical Optometry)