Schätzungen zur Folge beenden alljährlich zwischen 5 bis 10 Prozent aller Kontaktlinsenträger das Tragen von Kontaktlinsen [1]. Der Hauptgrund für diesen großen Drop-Out wurde in zahlreichen Studien belegt: Diskomfort durch trockene Augen oder Trockenheitsgefühle beim Tragen von Kontaktlinsen [2,3,4,5]. Eine signifikant große Anzahl der Kontaktlinsenkunden des Augenoptikers und Optometristen ist demnach nicht mit ihren Kontaktlinsen zufrieden und gehören zur Risikogruppe jener, die zukünftig auf das Kontaktlinsentragen gänzlich verzichten könnten.
Über 36 Prozent der Kontaktlinsenträger haben Trockenheitsgefühle
Erfolg und Misserfolg beim Tragen von Kontaktlinsen ist streng an die Qualität und Quantität des Tränenfilms verbunden. Befragungen bestehender Kontaktlinsenträger ergab, dass fast ein Viertel der Träger über Trockenheitssymptome klagen, mehr als zehn weitere Prozent der Träger klagen über einen Diskomfort mit ihren Kontaktlinsen. In einer Untersuchungsreihe von Riley et al. [3] und in einer Studie von Begley et al. [5] gaben über 36 Prozent bestehender Kontaktlinsenträger an unter Trockenheitsgefühlen oder Diskomfort zu leiden.
Trockenheitsgefühle sind bei Kontaktlinsenträgern häufiger zu beobachten im Vergleich zur Gruppe der Personen die keine Kontaktlinsen verwenden. Dies kann unter anderem durch Veränderungen im Tränenfilm beim Tragen von Kontaktlinsen erklärt werden. Bereits unter Bedingungen mit normaler Luftfeuchtigkeit (40% rel. Luftfeuchtigkeit) ist die Verdunstungsrate des Tränenfilms bei Kontaktlinsenträgern größer im Vergleich zur Gruppe der Nichtträger bei trockener Umgebung (30% rel. Luftfeuchtigkeit) [6].
Warum kommt es zu Trockenheitsgefühlen bei Kontaktlinsenträgern?
Das Tragen von Kontaktlinsen kann – laut einer Studie von Mathers an der Oregon Health Sciences University in Portland – auch zu einer negativen Feedbackschleife von der Hornhaut zur Tränendrüse führen und damit signifikante Trockenheitsgefühle auslösen [1]. Dabei geht man davon aus, dass Ablagerungen, Keime und abgeschieferte Epithelzellen wegen einem geringen Tränenfilmaustausch unter der Kontaktlinse nicht mehr ausreichend entfernt werden. Dadurch steigt der Anteil entzündlicher Zytokine im Tränenfilm. Für die Osmolarität des Tränenfilms ist die Anzahl der darin gelösten Teilchen entscheidend. So steigt demnach auch die Osmolarität des Tränenfilms. Der osmotische Druck ist wiederum für den Flüssigkeitstransport und Flüssigkeitshaushalt in den Zellen wichtig. Bei falschen Konzentrationen kommt es zu Zellschäden. Zudem steigt die Verdunstungsrate des Tränenfilms wie bereits beschrieben. All dies hat zur Folge, dass der sensible, corneale Nervus nasociliaris und damit die Hornhautsensibilität negativ beeinflusst wird. Die weiteren Folgen sind eine geringere Rückmeldung zur Tränendrüse betreffend einer Ausschüttung von Tränenflüssigkeit und damit ganz nebenbei auch eine Verringerung der Lidschlagfrequenz [7].
Abb.: Teufelskreis – Trockenheitsgefühle bei Kontaktlinsenträger
Zudem können Medikamente wie Antidepressiva, Kontrarezeptiva („die Pille“), Diuretika (entwässernde Stoffe), Antihistaminika und Hormon(ersatz)stoffe die Tränenproduktion drosseln. Aber auch Alkoholkonsum, häufiger Kaffeegenuss, mangelhafte Ernährung, die Verwendung von Vitaminkapseln und Rauchen können ein trockenes Auge begünstigen. Ältere Personen neigen eher zu trockenen Augen als jüngere Mitmenschen [8,9].
Abb.: Schlecht benetzte Kontaktlinse
Strategien bei Kontaktlinsenträgern mit Trockenheitssymptomen
Lange Zeit hat man trockene Augen stereotyp als Kontraindikation zur Anpassung von Kontaktlinsen betrachtet. Dies kann aus heutiger Sicht nicht mehr ohne nähere Prüfung der Umstände gelten. Neue Kontaktlinsenmaterialien, Pflegemittelsysteme und Benetzungslösungen ermöglichen häufig ein Tragen von Kontaktlinsen – auch wenn die Ausgangsbasis nicht ganz optimal erscheint.
Der erste logische Ansatz um Trockenheitssymptomen zu begegnen sind Überlegungen zur Materialwahl. So können Silikon-Hydrogel-Kontaktlinsen laut einer Studie von Chalmers et al. gar in bis zu 50% der Fälle Trockenheitssymptome reduzieren [10]. Um einen mit Silikon-Hydrogelen beobachteten Diskomfort zu vermeiden, sollte man jedoch auch auf einen möglichst geringen Modulus (Steifheit) achten. Unter anderem können auch Kontaktlinsen aus Omafilicon A [11], Hioxiflcon A, Hioxifilcon B und Hioxiflcon D [12] bei Trockenheitssymptomen hilfreich sein. Formstabile Kontaktlinsen verursachen bei Trockenheitserscheinungen häufig 3:00 und 9:00 Stippen und sollten in diesen Fällen nicht verwendet werden.
Bei Trägern mit Trockenheitssymptomen können sich an den Kontaktlinsen vermehrt Ablagerungen, Keime und Hornhautzellen anlagern. Eine gewissenhafte Reinigung der Kontaktlinsen ist besonders bei Trägern mit Trockenheitssymptomen von besonderer Bedeutung. Es gibt Hinweise, dass auch einige Bestandteile in Multifunktionslösungen Trockenheitssymptome bei Kontaktlinsenträgern begünstigen [13]. Bei einem Diskomfort empfiehlt es sich deshalb auch einen Umstieg auf ein anderes Pflegemittel – eventuell auf Peroxid-Basis zu erwägen.
Abb.: Kontaktlinse mit Ablagerungen
Eine weitere Hilfe stellt der Einsatz von Tränenersatzstoffen dar. So demonstrierte Mengher et al., dass eine Konzentration von 0.1% Sodium Hyaluronate in konservierungsstoff-freien Benetzungstropfen die Tränenfilmsstablität verbessert, die Trockenheitsgefühle minimiert und den TBUT [14] und NIBUT [15] vergrößert. Es dürfte jedoch von Bedeutung sein, Benetzungsmittel ohne Konservierungsstoffe zu verwenden, da Konservierungsstoffe toxisch wirken können und über allergisches Potential verfügen.
Letztendlich ist es auch wichtig Kontaktlinsenträger auf die Notwendigkeit eines kompletten Lidschlusses hinzuweisen, da Trockenheitsgefühle auch von einem inkompletten Lidschluss herrühren können [16].
Zum Autor
Der Autor dieses Artikels – Harald Belyus, MSc (Master of Science in klinischer Optometrie) – ist seit 25 Jahren aktiv in der Augenoptik tätig, hat an der Donau Universität Krems in Kooperation mit der Salus University (PCO) klinische Optometrie studiert und ist Vortragender an der Akademie für Augenoptik und Optometrie in Wien.
Literaturquellen
[1] Mathers WD, Why the eye becomes dry: a cornea and lacrimal gland feedback model, CLAO J. 2000 Jul;26(3):118
[2] Frequency of and factors associated with contact lens dissatisfaction and discontinuation, Cornea. 2007 Feb;26(2):168-74
[3] Riley C, Young G, Chalmers R., Prevalence of ocular surface symptoms, signs, and uncomfortable hours of wear in contact lens wearers: the effect of refitting with daily-wear silicone hydrogel lenses (senofilcon a), Eye Contact Lens. 2006 Dec;32(6):281-6
[4] Foulks GN, What is dry eye and what does it mean to the contact lens wearer?, Eye Contact Lens. 2003 Jan;29(1 Suppl):S96-100; discussion S115-8, S192-4
[5] Begley CG, Caffery B, Nichols KK, Chalmers R, Responses of contact lens wearers to a dry eye survey, Optom Vis Sci. 2000 Jan;77(1):40-6
[6] Guillon M, Maissa C, Contact lens wear affects tear film evaporation, Eye Contact Lens. 2008 Nov;34(6):326-30
[7] Stern ME, Beuerman RW, Fox RI, Gao J, Mircheff AK, Pflugfelder SC, The pathology of dry eye: the interaction between the ocular surface and lacrimal glands, Cornea. 1998 Nov;17(6):584-9
[8] Moss SE, Klein R, Klein BE, Incidence of dry eye in an older population, Arch Ophthalmol. 2004 Mar;122(3):369-73
[9] Moss SE, Klein R, Klein BE, Prevalence of and risk factors for dry eye syndrom, Arch Ophthalmol. 2000 Sep;118(9):1264-8
[10] Chalmers R, Long B, Dillehay S, Begley C., Improving contact-lens related dryness symptoms with silicone hydrogel lenses, Optom Vis Sci. 2008 Aug;85(8):778-84
[11] Hall B, Jones S, Young G, Coleman S., The on-eye dehydration of proclear compatibles lenses, CLAO J. 1999 Oct;25(4):233-7
[12] Penny A., Asbell Ucakhan, Ömür Ucakhan, Dry Eye and Contact Lenses, aus dem Buch Dry Eye Disease, Thieme, 2006:124
[13] Pham XT, Huff JW., Cytotoxicity evaluation of multipurpose contact lens solutions using an in vitro test battery, CLAO J. 1999 Jan;25(1):28-35
[14] Mengher LS, Pandher KS, Bron AJ, Davey CC., Effect of sodium hyaluronate (0.1%) on break-up time (NIBUT) in patients with dry eyes, Br J Ophthalmol. 1986 Jun;70(6):442-7
[15] Johnson ME, Murphy PJ, Boulton M., Effectiveness of sodium hyaluronate eyedrops in the treatment of dry eye, Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 2006 Jan;244(1):109-12. Epub 2005 Jun 28.
[16] McMonnies CW., Incomplete blinking: exposure keratopathy, lid wiper epitheliopathy, dry eye, refractive surgery, and dry contact lenses, Cont Lens Anterior Eye. 2007 Mar;30(1):37-51. Epub 2007 Jan 23.